«Charta 77» «Charta 77»: Am 11. November 1988 wurde Vaclav Havel verhaftet

Prag/dpa. - Der Mann war der tschechische Dramatiker Vaclav Havel, undmit der Konferenz wollte die Menschenrechtsbewegung «Charta 77» anden Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei1968 erinnern. Zwar ließ die Prager Polizei die meistenFestgenommenen nach vier Tagen frei, aber sie hatte wieder einmaleine Veranstaltung der ihr ungeliebten Organisation unterdrückt.
Der teilweise erbittert geführte Kampf der Dissidenten in der CSSRmit dem Regime in Prag hatte vor 30 Jahren, am 7. Januar 1977, mitder Veröffentlichung der Petition «Charta 77» in vieleninternationalen Zeitungen einen Höhepunkt erreicht. Erst zwölf Jahrespäter ging diese Auseinandersetzung mit der Wahl von Havel zumStaatspräsidenten zu Ende. In ihrer Petition forderten die damals 242Mitglieder der frisch gegründeten Bürgerbewegung von dersozialistischen Staatsführung die Umsetzung des von ihrmitunterzeichneten KSZE-Schlussdokuments über Menschenrechte.
Dabei verstand sich die Gruppe, deren Name sich der Autor PavelKohout ausgedacht hatte, zunächst «nicht als Basis für oppositionelleTätigkeit», wie es in einer Mitteilung hieß: «Wir wollen ... keinepolitischen Programme aufstellen, ... sondern einen konstruktivenDialog mit der Staatsmacht führen.» Doch das Regime war nichtinteressiert - es ließ loyale Prominente eine «Anti-Charta» verfassenund sperrte «Chartisten» ein. Es lag wohl auch an der Angst vorRepressalien, dass bis zur politischen Wende offiziell nur 1886Menschen die insgesamt 572 Aufrufe der Gruppe unterzeichneten.
Wer signierte, informierte das Regime damit über seine kritischeHaltung. «Die Charta ist eine Kerze, die unter Wasser brennt»,formulierte es 1984 der britische Historiker Timothy Garton Ash. Fürwestliche Politiker waren die «Chartisten» als Kern des Widerstandsder Ansprechpartner. Es gilt als Verdienst der «Charta 77», dass inder CSSR langsam aus privater Überzeugung öffentliche Meinung wurdeund allgemeine Unzufriedenheit in friedlichen Wandel mündete. «Mitder Petition hatten viele kritisch denkende Tschechen und Slowakenendlich eine Argumentationshilfe», meint der Historiker Martin Pras.
«Ich denke, dass sowohl die Charta als auch die "Anticharta" zuunserer jüngeren Geschichte gehören», meint Havel 30 Jahre danach.Dabei warnt der 70-Jährige vor einem «Historikerstreit»: «Aus derCharta wird heute fast eine heilige Sache gemacht. Wohingegen jene,die durch die harte Geschichte gezwungen wurden, ein Dokument dagegenzu unterschreiben, sich drei Jahrzehnte später plötzlich auf derAnklagebank finden. Das gefällt mir ganz und gar nicht.»