CDU CDU: Merkel beklatscht und Merz ausgebuht
Bonn/dpa. - Das war starker Tobak für die vielen engagierten Betriebsräte, diesich für die CDU vor Ort einsetzen und ihre Politik oft gegen denVerdacht zu großer Arbeitgebernähe verteidigen müssen. Merz sagtegegen Buh-Rufe, es dürften «keine künstlichen Gegensätze zwischenArbeitgebern und Arbeitnehmern» hergestellt werden. Und als bessereSozialdemokraten werde die CDU die nächsten Wahlen nicht gewinnen.
Wie ein Fremdkörper spulte Merz im früheren Bundestagsplenarsaaleine Rede herunter, in der er mit Daten und Zahlen zu Konjunktur,Inflation und demographischer Entwicklung um sich warf. Die Seele derrund 400 CDA-Delegierten traf er damit nicht. In Rage brachte Merzdann die Frage, warum er denn nicht Mitglied bei der CDA werde. Erkomme aus der Selbstständigkeit, nicht aus der Arbeiternehmerschaft,antwortete Merz. «Ich biedere mich doch bei Ihnen nicht an» - erneutstarke Buh-Rufe.
Für Merz war es ein «Auswärtsspiel» - hatte er sich doch bereitsfrüher unbeliebt gemacht, als er das Totenglöcklein für eineSozialpolitik nach Vorstellungen Norbert Blüms geläutet hatte. Auchjetzt mochte er nicht einsehen, dass - nach CDA-Lesart - auch eineverfehlte Sozialpolitik der CDU die Wahlniederlage 1998 beschert hat.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wollte dagegen beim linkenFlügel punkten. Sie sprach von Familienpolitik, Gerechtigkeit,Sozialer Marktwirtschaft und der «Wir-Gesellschaft» mit einerTeilhabe aller Menschen - alles auf Tuchfühlung mit der CDA. Sieschlug Brücken, forderte einen Ausgleich zwischen den einzelnenParteiströmungen. Und: «Wir brauchen in der CDU eine starke CDA - miteiner lauten Stimme.»
Der neue CDA-Vorsitzende Hermann-Josef Arentz lobte Merkel, diesich «wohltuend» von Merz unterschieden habe. Mit dem 48-jährigenKölner Sozialexperten, zugleich stellvertretender CDU-Fraktionschefim NRW-Landtag, will sich die CDA nach längerem Schattendasein undstarkem Mitgliederschwund als soziale Speerspitze der Union wiedermehr Gehör verschaffen. Arentz zeigte in Bonn, dass er für diesenAufbruchstimmung mit offenem Visier und klarem Kompass kämpfen will.
Der CDA-Flügel ist überzeugt, dass er und seine anti-neoliberalenPositionen beim Kampf der CDU um die «große Mitte» gebraucht werden.Man solle sich über die Stimmung in den Betrieben und Familien nichttäuschen, hieß es in Bonn vielstimmig. Dort werde sehr genauregistriert, wo ein Abbau von Leistungen erfolge, wie beimKündigungsschutz oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, oder woUntätigkeit die Lage verschlimmere.
Der frühere CDA-Vorsitzende Norbert Blüm benannte die Richtung,die auch im neuen Grundsatzprogramm verankert ist: KeineVerwirtschaftung aller Lebensbereiche, kein Rütteln am Sozialstaat,gerechte Familienpolitik. «Wenn Rabbatz gebraucht wird, ich bin da»,sagte Blüm, der von den CDA-Delegierten mit Ovationen gefeiert wurde.