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Carstensen will SPD-Minister entlassen

20.07.2009, 15:02

Kiel/dpa. - Die Entlassung der vier SPD-Minister aus dem Kabinett von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) steht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa unmittelbar bevor. Das erfuhr dpa am Montag aus Koalitionskreisen.

Carstensen zieht damit eine weitere Konsequenz aus dem Scheitern der Koalition. Im Einzelnen handelt es sich um Vize-Regierungschefin Ute Erdsiek- Rave (Bildung), Lothar Hay (Innen), Uwe Döring (Justiz) und Gitta Trauernicht (Soziales/Atomaufsicht). Ihre Entlassung solle mit Ablauf des Dienstags wirksam werden, hieß es.

Auf dem Weg zur Neuwahlen in Schleswig-Holstein war Carstensen zunächst am geschlossenen Widerstand der SPD gescheitert. Der Regierungschef will nun über die Vertrauensfrage sein Ziel erreichen.

Die Sozialdemokraten verhinderten am Montag die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zur Auflösung des Landtages, die von der CDU und der Opposition beantragt worden war. Carstensen stellte unmittelbar danach die Vertrauensfrage, die er bewusst verlieren will, um damit die Neuwahl des Landtags am 27. September - parallel zur Bundestagswahl - doch noch zu ermöglichen. Der Ausgang der Abstimmung lasse ihm keine andere Wahl, betonte Carstensen. Die Entscheidung darüber fällt aber erst am Donnerstag.

«So kann man mit Menschen nicht umgehen», kritisierte die SPD-Bildungsministerin und stellvertretende Regierungschefin Ute Erdsiek-Rave. «Das ist eiskalte Machtausübung», sagte sie der dpa. Ihr Nein zur Auflösung des Landtages hatte sie damit begründet, dass die große Koalition aus ihrer Sicht nicht gescheitert sei. Sie habe das Bündnis als Chance verstanden, Gräben zuzuschütten. «Ich will nicht akzeptieren, dass dies gänzlich gescheitert ist», sagte sie.

SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner warf Carstensen erneut vorsätzlichen Koalitionsbruch vor. Dieser sei schon seit längerem mit der FDP verabredet gewesen. Einem Antrag auf Parlamentsauflösung, der mit Unzuverlässigkeit der SPD begründet werde, hätten die Sozialdemokraten nicht zustimmen können. Die Begründung sei vorgeschoben. «Nicht das Parlament ist gescheitert, sondern der Ministerpräsident», sagte Stegner nach der Abstimmung.

Der Regierungschef habe die Koalition gebrochen und dem Parlament die Unwahrheit gesagt, kritisierte Stegner. Der Vorwurf bezieht sich auf eine falsche Angabe Carstensens in einem Brief zu der umstrittenen 2,9-Millionen-Euro-Sonderzahlung an HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher. Carstensen hatte unzutreffend behauptet, der Beschluss sei mit Einverständnis der Spitzen der Koalitionsfraktionen in Kiel gefasst worden. Am Sonntag gestand Carstensen den Fehler auch offen ein.

Carstensen warf Stegner erneut vor, dieser habe sich aus der Verantwortung gestohlen und ihm das Vertrauen entzogen. Das Land brauche gerade in der aktuellen Krise eine handlungsfähige Regierung. Die Auflösung des Parlaments wäre die «offenste, ehrlichste und sauberste» Möglichkeit gewesen, zu Neuwahlen zu kommen. Aus Sicht Stegners wäre dies dagegen ein Rücktritt des Regierungschefs.

Die SPD wird laut Stegner Neuwahlen nicht blockieren, aber: «Der Weg dahin muss anständig und ehrenhaft sein.» Stegner bekräftigte, dass die SPD Carstensen im Landtag nicht das Vertrauen aussprechen werde. Gleiches gilt für die Opposition. Nach der Abstimmung über die Landtagsauflösung wurde die Sitzung unterbrochen und nach mehrmaliger Verschiebung endgültig auf Donnerstag vertagt.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki bezeichnete das Abstimmungsverhalten der SPD als «unwürdiges Schauspiel», der Grünen- Fraktionsvorsitzende Karl-Martin Hentschel sprach von einem «Spiel der Eitelkeiten».

Die SPD will am Donnerstag namentlich abstimmen lassen. Die Vertrauensfrage ist nur in einigen Länderverfassungen verankert. In Schleswig-Holstein kann Carstensen nach fehlender Zustimmung den Landtag selbst binnen zehn Tagen auflösen. Dazu muss ihm eine Mehrheit der Parlamentarier das Vertrauen entziehen - ein Ausgang, den er selbst anstrebt. Eine solche Vertrauensfrage, die absichtlich schief gehen soll, gilt als «unecht» - auf Länderebene gab es dies noch nie.

Umfragen zufolge liegt die CDU in der politischen Stimmung derzeit klar vor der SPD. Nach den aktuellen Werten würde es deutlich für eine Koalition von CDU und FDP reichen, die beide Parteien auch anstreben.

Die CDU-Fraktion hatte am vergangenen Mittwoch nach langer Koalitionskrise beschlossen, das Regierungsbündnis nach vier Jahren zu beenden. Hintergrund des Scheiterns sind andauernde Konflikte mit Stegner, aber auch fehlender gemeinsamer Gestaltungswillen, Mangel an Kompromissbereitschaft und inhaltliche Differenzen.