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Carstensen entlässt alle SPD-Minister

20.07.2009, 18:55

Kiel/dpa. - Mit der Entlassung aller vier SPD-Minister hat Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) der großen Koalition am Montag ein spektakuläres Ende bereitet.

Nach dem gescheiterten Versuch einer Landtagsauflösung und der anschließend gestellten Vertrauensfrage entließ Carstensen am Nachmittag die SPD-Ressortchefs aus dem Kabinett. «Dieser Schritt ist mir persönlich außerordentlich schwer gefallen», sagte Carstensen am Abend der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kiel.

Nachdem er gezwungen worden sei, die Vertrauensfrage zu stellen, habe er keine andere Wahl gehabt. Mit der Entlassung macht Carstensen den nächsten Schritt auf dem Weg zur angestrebten Neuwahl am 27. September. Dieser Weg wird endgültig frei, wenn er am Donnerstag wie beabsichtigt und absehbar die Vertrauensabstimmung verliert.

Die bisherige Vize-Regierungschefin Ute Erdsiek-Rave (Bildung) sowie die Kabinettsmitglieder Lothar Hay (Innen), Uwe Döring (Justiz) und Gitta Trauernicht (Soziales/Atomaufsicht) sollen bereits am Dienstag ihre Büros räumen. Sie reagierten schockiert. Die Entlassungsurkunden wurden am frühen Abend zugestellt. Erdsiek-Rave nannte Carstensens Schritt «würdelos und respektlos». «Das ist ein Umgang miteinander, als hätten wir silberne Löffel geklaut.»

Wenn Carstensen die Vertrauensfrage am Donnerstag verliert, kann er die Wahlperiode vorzeitig beenden. Die SPD, die eine Parlamentsauflösung am Vormittag verhindert hatte, will namentlich abstimmen lassen. Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner warf Carstensen erneut vorsätzlichen Koalitionsbruch vor. Dieser sei schon seit längerem mit der FDP verabredet gewesen.

Einem Antrag auf Parlamentsauflösung, der mit Unzuverlässigkeit der SPD begründet werde, habe die SPD nicht zustimmen können. Die Begründung sei vorgeschoben. «Nicht das Parlament ist gescheitert, sondern der Ministerpräsident», sagte Stegner. Die Minister-Entlassung sei partei- und machtpolitisch motiviert, «schäbig und würdelos».

«Er hat die Koalition gebrochen und er hat dem Parlament die Unwahrheit gesagt», äußerte Stegner über Carstensen. Der Vorwurf bezieht sich auf eine falsche briefliche Angabe Carstensens zu der umstrittenen 2,9-Millionen-Euro-Sonderzahlung an HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher. Der Regierungschef hatte unzutreffend behauptet, der Beschluss sei mit Einverständnis der Spitzen der Koalitionsfraktionen in Kiel gefasst worden.

Carstensen warf Stegner erneut vor, dieser habe sich aus der Verantwortung gestohlen und ihm das Vertrauen entzogen. Das Land brauche gerade in der aktuellen Krise eine handlungsfähige Regierung. Carstensen sagte, die Auflösung des Parlaments wäre die «offenste, ehrlichste und sauberste» Möglichkeit gewesen, zu Neuwahlen zu kommen. Aus Sicht Stegners wäre das dagegen ein Rücktritt des Regierungschefs.

Die SPD wird laut Stegner Neuwahlen nicht blockieren, aber: «Der Weg dahin muss anständig und ehrenhaft sein.» Stegner bekräftigte, dass die SPD Carstensen im Landtag nicht das Vertrauen aussprechen werde. Gleiches gilt für die Opposition.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki nannte das Abstimmungsverhalten der SPD ein «unwürdiges Schauspiel». Die «Opferrolle» nehme man der SPD nicht mehr ab, sagte die SSW-Abgeordnete Anke Spoorendonk. Als «schwarzes Machtspiel» bezeichnete Grünen-Kollege Karl-Martin Hentschel die Minister-Entlassung. «Gestern war er noch stolz auf sie, heute entlässt er seine fähigsten MinisterInnen.»

Umfragen zufolge liegt die CDU in der politischen Stimmung derzeit klar vor der SPD. Danach würde es deutlich für eine Koalition von CDU und FDP reichen, die beide Parteien auch anstreben.

Die CDU-Fraktion hatte am vorigen Mittwoch nach langer Koalitionskrise beschlossen, das Regierungsbündnis nach vier Jahren zu beenden. Hintergrund des Scheiterns sind andauernde Konflikte mit Stegner, aber auch fehlender gemeinsamer Gestaltungswille, Mangel an Kompromissbereitschaft und inhaltliche Differenzen.

Nach der Entlassung der SPD-Minister übernehmen die CDU-Ressortchefs die Bereiche ihrer bisherigen Kabinettskollegen mit. Carstensen wird zuständig für Justiz/Arbeit, Wirtschaftsminister Jörn Biel übernimmt die Bildung, Landwirtschafts- und Umweltminister Christian von Boetticher Soziales/Atomaufsicht und Finanzminister Rainer Wiegard das Innenressort.