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Schwieriger Fall für die Justiz Carles Puigdemont und Deutschland: Wird er an Spanien ausgeliefert?

Von Damir Fras 26.03.2018, 16:46
Die Justizvollzugsanstalt in Neumünster, in die der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont am Sonntag gebracht worden war.
Die Justizvollzugsanstalt in Neumünster, in die der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont am Sonntag gebracht worden war. AFP

Berlin - Mehrere Monate hat der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont nach dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum in Belgien verbracht. Nun ist er in Deutschland verhaftet worden – auf einer Autobahnraststätte in Schleswig-Holstein. Er sitzt in Untersuchungshaft, ein deutsches Gericht prüft nun, ob der Spanier an sein Heimatland ausgeliefert wird.

Was ist der Grund für die Festnahme?

Ein erster Europäischer Haftbefehl nach Puigdemonts Flucht nach Belgien war zurückgenommen worden, nachdem die belgischen Behörden nicht reagierten. Nun ist Puigdemont nach Finnland gereist – Spanien hat den Haftbefehl daraufhin erneuert. Die Regierung wirft dem Politiker aus Barcelona Rebellion vor.

Die deutsche Polizei hat dem Bundesinnenministerium zufolge in solchen Fällen keinen Ermessensspielraum. Wenn sie den Gesuchten findet, muss sie ihn festnehmen.

Woher wusste die deutsche Polizei von Puigdemonts Aufenthalt?

Das hat die Bundesregierung nicht offen gelegt. Puigdemont hat auf einer Flugreise verzichtet, bei der er seinen Pass auf jeden Fall hätte vorzeigen müssen. Er war mit dem Auto unterwegs. Das Bundeskriminalamt hat von dem Hafbefehl über das interne so genannte „Sirenen“-System noch am Freitag erfahren. Außerdem wurde ein BKA-Verbindungsmann in Madrid informiert.

Ob dabei auch die genauen Reisepläne Puigdemonts inklusive Zeiten oder Routen übermittelt wurden, ist offen. Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer kritisiert, Puigdemont habe seine Festnahme provoziert, um den Konflikt zu verschärfen. Er habe schließlich in Belgien einen sicheren Aufenthaltsort gehabt, sagte er dieser Zeitung.

Puigdemont war zuvor in Finnland und Dänemark – warum erfolgte da keine Festnahme?

Eine offizielle Einschätzung gibt es dazu nicht von der Bundesregierung. Die finnischen Behörden hatten erklärt, Puigdemont nicht finden zu können. Der hatte sich allerdings zum Beispiel mit Parlamentsabgeordneten getroffen.

In deutschen Regierungskreisen hieß es, das Wegsehen der finnischen und dänischen Behörden sei nicht ungeschickt gewesen – denn nun ist Deutschland plötzlich mitten drin in dem Streit zwischen der spanischen Zentralregierung und der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.

Kann Puigdemont in Deutschland Asyl beantragen?

Das kann er wie jeder andere auch. Das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge würde den Antrag dann prüfen. Fristen dafür gibt es nicht. Denkbar ist aber, dass dieser Fall vorrangig behandelt wird. Eine drohende Gefängnisstrafe alleine ist allerdings kein Asylgrund.

Regierungssprecher Steffen Seibert betont, Spanien sei ein demokratischer Rechtsstaat. Die Zahl der Asylberechtigten aus Spanien „tendiert gegen Null“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Spanien sei „im alltäglichen Asylgeschäft ein sehr untypisches Herkunftsland“.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Deutschland Puigdemont an Spanien ausliefert?

Wie das Gericht entscheidet, ist offen. Es hat dafür 60 Tage Zeit, eine Verlängerung dieser Frist um weitere 30 Tage ist möglich. Die Regelung zum Europäischen Haftbefehl sieht als Auslieferungsgründe eine ganze Reihe von Vergehen vor, von Drogenhandel über Autodiebstahl bis zu Terrorsmus und Sabotage. Der Vorwurf der Rebellion, den Spanien erhebt, ist dabei nicht vorgesehen.

Experten zufolge könnte sich das Gericht aber auch auf den ebenfalls erhobenen Vorwurf der Unterschlagung öffentlicher Gelder stützen. Das Bundesjustizministerium weist darauf hin, es komme „auf den Sinngehalt an, nicht auf die Bezeichnung“. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger allerdings sagte dieser Zeitung: „Wenn die Bundesregierung Puigdemont ausliefern lässt, gießt sie damit Öl ins Feuer.“ Die deutschen Justizbehörden müssten ihren Ermessensspielraum nutzen. „Ich bin kein Anhänger des Separatismus. Aber das Problem kann nicht dadurch gelöst, dass man die Anführer kriminalisiert und ins Gefängnis steckt.“

Gibt es eine politische Einflussmöglichkeit? Könnte die Regierung einen Auslieferungsentscheid des Gerichts kippen?

Eigentlich müsste das Gericht die Hoheit über die Entscheidung haben. Die Bundesregierung hat aber die Frage nach einem politischen Ermessen offen gelassen. Das Bedürfnis, Puigdemont im Land zu behalten, scheint aber offenbar gering. Regierungssprecher Seibert sagte, der Konflikt um Katalonien müsse in Spanien gelöst werden.

Der Grünen-Europaabgeordnete Bütikofer appellierte. Deutschland sollte gegenüber den spanischen Behörden in Madrid darauf dringen, dass diese ein weniger repressives Vorgehen gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung an den Tag legen.“ (mit mdc.)

Wer entscheidet wann und was?

Amstgericht Neumünster: Da Puigdemont am Sonntag nach seiner Festnahme an der A7 bei Schleswig in die JVA Neumünster gebracht wurde, ist das dortige Amtsgericht für die sogenannte Festhalteanordnung zuständig. Für die Vorführung vor dem Amtsrichter blieb theoretisch bis zum Montag, 23.59 Uhr, Zeit. Puigdemont wird eröffnet, warum er festgehalten wird. Das Gericht prüfe zudem, ob es sich bei der Person tatsächlich um Puigdemont handelt, sagte eine Sprecherin der Generalsstaatsanwaltschaft in Schleswig. Theoretisch bestehe auch die Möglichkeit, dass das Amtsgericht entscheidet, Puigdemont auf freien Fuß zu setzen. Dies sei aber nicht die Regel, sagte die Sprecherin weiter. 

Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig: Im zweiten Schritt erhält die Generalstaatsanwaltschaft die Akten und prüft, ob die Voraussetzungen für eine Auslieferung nach Spanien vorliegen. Dazu müsse es in Deutschland einen Straftatbestand geben, der dem entspricht, der Puigdemont vorgeworfen wird, so die Sprecherin. Anschließend würde die Behörde beim Oberlandesgericht gegebenenfalls einen Antrag auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls erstellen. Sollte die Behörde jedoch zu dem Schluss kommen, dass die Voraussetzungen für einen Auslieferungshaftbefehl nicht vorliegen, würde eine Entlassung angeordnet.

Oberlandesgericht: Stellt die Generalsstaatsanwaltschaft einen Antrag muss das OLG prüfen, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen wird. Das OLG zieht dazu die Unterlagen aus Spanien heran, aus denen sich der Grund für die Auslieferung ergeben muss. Es prüft, ob eine Übergabe von Puigdemont an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist.

Generalstaatsanwaltschaft: Sollten rechtliche Hindernisse einer Auslieferung nach Ansicht des OLG nicht im Wege stehen, befindet über deren Durchführung abschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig.