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Vollverschleierung Burka-Verbot: Darum wird es wohl erst einmal nicht zum Ende der Vollverschleierung in Deutschland kommen

Von Markus Decker 15.08.2016, 14:10
Symbolbild.
Symbolbild. EPA

Berlin - Das Burka-Verbot ist der Dauerbrenner dieses Spätsommers – wobei mit Burka alle Formen von Vollverschleierung gemeint sind, in erster Linie die Niqab. Auch am Montag wogten die Meinungen hin und her. Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) hält ein Burka-Verbot für rechtens. „Das Beispiel Frankreich zeigt doch gerade, dass es geht. Es muss gesetzlich festgelegt werden, dass sich Frauen nicht in der Öffentlichkeit vollverschleiert zeigen dürfen“, sagte er der „Bild“.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, widersprach. „Ich halte nichts von der Burka“, erklärte er der „Berliner Zeitung“. „Aber ich bin gegen ein Verbot. Denn gegen religiöse Vorstellungen, die meistens auch noch reaktionär sind, kann man so nichts ausrichten. Ein Verbot der Vollverschleierung wäre sogar kontraproduktiv, weil diejenigen, die sie anziehen oder anziehen müssen, dann noch weniger am gesellschaftlichen Leben teilnehmen würden.“ Riexinger nannte es überdies „nahezu kindisch, das unter dem Begriff Sicherheit zu thematisieren. Die Debatte ist stattdessen von Islamophobie geprägt und verbietet es deshalb, solche Schritte zu gehen.“

Die Ansichten sind gespalten. Das ist nicht nur innerhalb der Union so. Berlins Innensenator Frank Henkel ist beispielsweise dafür, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (beide CDU) dagegen. Auch in der muslimischen Community gibt es Differenzen.

Das Kardinalproblem ist die Sache mit der Verfassungsmäßigkeit. „Das Bundesverfassungsgericht würde ein Verbot als Verstoß gegen die Religionsfreiheit kassieren“, glaubt der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis. Zwar habe der Europäische Gerichtshof mit Blick auf Frankreich anders geurteilt. Frankreich indes sei laizistisch, lege also Wert auf eine strikte Trennung von Staat und Kirche. In Deutschland hingegen existiere ein sehr enges Kooperationsverhältnis, das nun auch für das Verhältnis zu den Muslimen angestrebt werde. De Maizière sieht die Sache ähnlich.

Kein Sonderrecht für die Burka

Der Staatsrechtler vertritt ferner die Auffassung, dass ein Verbot Ländersache wäre, weil es unter das Polizeirecht fiele. So entstünde im Zweifel ein Flickenteppich von Regelungen. Allein wenn man ein Verbot wie Ex-Minister Scholz als Ordnungswidrigkeit betrachtet, wäre der Bund gefragt. Überdies wäre der Vollzug schwierig. Sollte ein Polizist, fragt man in führenden Regierungskreisen, der Frau eines muslimischen Diplomaten die Vollverschleierung runterreißen? Und wie viele voll verschleierte Frauen gibt es in Deutschland überhaupt? Der grüne Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu hat vor einigen Monaten eine entsprechende Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die musste passen. Sie unterstrich aber, dass Touristinnen darunter seien und man von damit verbundenen Terror-Gefahren nichts wisse.

Battis betont schließlich: „Eine strikte Burka-Erlaubnis gibt es ja sowieso nicht.“ Bei der Polizei oder vor Gericht müsse das Gesicht selbstverständlich zu erkennen sein. „Auch bei einem konkreten Verdacht auf eine Straftat kann die Trägerin nicht sagen: Meine Burka ist mir heilig. Da wird sie behandelt wie jede andere auch. Da gibt es für die Burka kein Sonderrecht.“

Der letzte Punkt ist der von Riexinger angesprochene nach der tatsächlichen Wirkung. Die allermeisten Gegner gehen ja davon aus, dass jede Art von Vollverschleierung mit der islamischen Religion in Wahrheit nichts zu tun habe, sondern allein ein Instrument zur Unterdrückung der Frau sei. Schon vom Kopftuch sei im Koran nicht die Rede, sagen sie. Das aber bedeutet: Der dazugehörige Mann hat faktisch die Macht, die Frau zum Tragen der Vollverschleierung zu zwingen.

Das wiederum heißt: Wenn der Mann die Macht hat, sie dazu zu zwingen, dann kann er sie – nicht rechtlich, nur faktisch – in aller Regel wohl auch zwingen, ohne Burka zu Hause zu bleiben, zumindest im Rahmen des täglichen Lebens praktisch Möglichen. Auch wird man davon ausgehen können, dass das nähere Umfeld des Paares die Vollverschleierung ebenfalls wünscht oder gutheißt. Dies schränkt die Freiheit betroffener Frauen zusätzlich ein.

Das alles zusammen genommen führt zu dem kuriosen Effekt, dass kein ernst zu nehmender Politiker in Deutschland das Tragen von Vollverschleierungen verteidigt und die Zahl der ablehnenden Stimmen sogar wächst. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach war 2010 noch skeptisch und plädiert nun aus Sicherheitsgründen dafür. Dennoch dürfte es zu einem Verbot bis auf Weiteres nicht kommen. Die Bundesregierung jedenfalls wird gewiss keinen Vorstoß unternehmen.