Bundeswehr Bundeswehr: Struck und Inspekteure reden über Misshandlungsfälle

Berlin/dpa. - Nach neuen Misshandlungen von Rekruten will Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) auf allen Ebenen gegenGewalt in der Bundeswehr vorgehen. Unmittelbar nach Bekanntwerden eines vierten Falls in Niedersachsen rief er am Montag die Inspekteure der Teilstreitkräfte zu Beratungen an diesem Dienstag nach Berlin. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan wies alle Kommandeure an, unnachsichtig gegen Missachtung der Bundeswehr-Prinzipien vorzugehen. Der Wehrbeauftragte Willfried Penner überprüft frühere Beschwerden von Soldaten auf Parallelen. Als beunruhigend bezeichnete die Bundeswehr das lange Schweigen der Betroffenen.
Die Bundeswehr stellte ferner klar, dass nachgestellteGeiselnahmen Bestandteil jeder Vorbereitung für Auslandseinsätze,keinesfalls aber der Grundausbildung von Wehrpflichtigen sind.Oberstes Gebot sei auch, dass es nicht zu Verletzungen kommt, sagteder Leiter des Presse- und Informationszentrums des Heeres inKoblenz, Oberst Wolfgang Fett, in einem dpa-Gespräch.
Struck sagte: «Es wird rücksichtslos aufgeklärt.» Weitere Fälleseien nicht auszuschließen. Es könne aber nicht grundsätzlich vonMisshandlungen in der Bundeswehr ausgegangen werden. Ihn treibe dieFrage um, ob Auslandseinsätze mit der Gefahr von Geiselnahmen dasBewusstsein von Soldaten so verändern, «dass einer das zu Hausesimuliert». Struck: «Das wäre ein gravierendes Ereignis, dass jemandaus dem Auslandseinsatz zurückkommt und anfängt, in CoesfeldAfghanistan oder Kabul zu spielen.»
In einem der dpa vorliegenden Brief forderte Schneiderhan dieKommandeure auf, «sensibel und wachsam» negative Entwicklungenfrühzeitig abzuwenden. «Besorgt hat mich auch die Tatsache, dassdiese Missstände offenbar widerspruchslos hingenommen werden.» Dieklare Unterscheidung von Recht und Unrecht müsse gefördert werden.
Ein ehemaliger Hauptgefreiter des Panzerbataillons 192 imnordrhein-westfälischen Ahlen machte seine Vorwürfe gegen dieBundeswehr inzwischen öffentlich. Es habe in der Kaserne Ahlen einenicht genehmigte Geiselnahme-Übung zum Zwecke der Vorbereitung aufeinen Auslandseinsatz im Kosovo gegeben, sagte der 23-Jährige dem«Spiegel TV»-Magazin. Der Ex-Soldat berichtete auch vonrechtsradikalen Tendenzen in dem Panzerbataillon.
Penner zufolge gibt es ferner eine Beschwerde aus Kempten(Bayern). Dort sollen Rekruten nach einem Nachtmarsch mit verbundenenAugen in einen feuchten, kalten Keller gesperrt worden sein.» Erlässt nun frühere Eingaben auf Parallelen überprüfen. Es gebe bisheraber keine Hinweise darauf, sagte sein Sprecher Guido Large, der dpa.
Die Staatsanwaltschaft Verden (Niedersachen) ermittelt gegen vierBundeswehr-Soldaten aus der Kaserne Nienburg-Langendamm wegen desVerdachts auf Freiheitsberaubung. Die Männer nahmen bei einer Übungam 27. Oktober drei Kameraden - darunter zwei Frauen - als Gefangeneund hielten sie für zwei Stunden mit auf dem Rücken gefesseltenHänden fest. Die Opfern meldeten den Vorfall ihrem Kompaniechef. DieBeschuldigten erwartet nun auch ein internes Disziplinarverfahren.
Die Grünen sagten Struck volle Unterstützung für seinen Kurs zu.Es sei gut, dass Struck nicht versuche, die Vorkommnissekleinzuspielen, sich aber auch gegen einen Generalverdacht gegen dieBundeswehr wende, sagte die Vorsitzende Claudia Roth. Die FDP dringtauf parlamentarische Aufklärung der Misshandlungsfälle. Ob dies inForm eines Untersuchungsausschusses des Bundestages geschehen soll,ließ FDP- Generalsekretärin Cornelia Pieper offen.