1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Bundeswehr: Bundeswehr: Frühere Ausbilder streiten Misshandlungen weitgehend ab

Bundeswehr Bundeswehr: Frühere Ausbilder streiten Misshandlungen weitgehend ab

19.03.2007, 07:02

Münster/dpa. - Zwar hättensie Übungen mit simulierten Geiselnahmen geplant, von Misshandlungenaber nie etwas gesehen, sagten der frühere Kompaniechef und zweidamalige Zugführer zum Prozessauftakt am Montag vor dem LandgerichtMünster. Die Übungen, bei denen Rekruten nach Darstellung derStaatsanwaltschaft getreten, geschlagen und mit Wasser bespritztwurden, seien «Höhepunkt der Ausbildung» gewesen, sagten sieeinhellig. Dies sei von den Rekruten bestätigt worden.

Vor der 8. Großen Strafkammer müssen sich insgesamt 18 frühereBundeswehr-Ausbilder - der frühere Kompaniechef im Range einesHauptmannes und 17 Unteroffiziere - des Instandsetzungsbataillons 7aus der Freiherr-vom-Stein-Kaserne im westfälischen Coesfeld wegenMisshandlung Untergebener verantworten.

Die beiden Zugführer hatten laut Anklage die Idee, eine gestellteGeiselnahme als Höhepunkt eines nächtlichen Orientierungsmarsches indie Rekrutenausbildung aufzunehmen, obwohl dies in den Richtliniender Bundeswehr nicht vorgesehen ist. Die Angeklagten rechtfertigtensich, sie wollten die Ausbildung besser der Einsatzrealität anpassen.Der Kompaniechef hatte die Übungen nach eigenen Angaben geduldet.Ziel sei es gewesen, «eine interessante, spannende undabwechslungsreiche Ausbildung» zu schaffen, sagte er.

Die Zugführer erklärten, sie hätten von einer Eskalation derzunächst unproblematischen Situation nichts gewusst. Zeugen hattenberichtet, dass ihnen Stromstöße mit einem Feldfernsprecher versetztwurden oder dass ihnen mit einer Kübelspritze Wasser in die Hosengepumpt wurde. Ein Zugführer entgegnete, von den Rekruten sei dieRückmeldung gekommen, dass die Ausbildung «richtig geil» gewesen sei.

Die Vorfälle auf einem Übungsplatz der Coesfelder Kaserne hatten2004 international Aufsehen erregt und umfassende interne Prüfungender Bundeswehr veranlasst. Dabei war deutlich geworden, dass Coesfeldinnerhalb der Streitkräfte kein Einzelfall war. So waren fingierteGeiselnahmen Teil der Ausbildung für alle Bundeswehr-Soldaten, diefür Auslandseinsätze auf dem Balkan vorgesehen waren. Ein Großteilder in Münster angeklagten Ausbilder hatte diesen Drill selbstdurchlaufen. «Wir mussten durch Gräben kriechen», schilderte derfrühere Kompaniechef die Vorbereitung auf seinen eigenen Bosnien-Einsatz. Dabei sei Teilen der teilnehmenden Soldaten auferlegtworden, wie Hunde zu bellen, andere mussten der Schilderung desAngeklagten zufolge Laute von Hühnern nachahmen.

Vom «Darmstädter Signal», einem Zusammenschluss kritischerOffiziere, kam Kritik an der Bundeswehr. Dass die Rekruten nichtprotestierten, werfe ein bezeichnendes Bild auf den Zustand derWehrpflichtarmee, sagte der Vorsitzende der Organisation,Oberstleutnant Jürgen Rose, dem Fernsehsender N 24.

Bei den 18 Angeklagten handelt es sich größtenteils um ehemals alsvorbildlich geltende Soldaten. Nach den Vorfällen wurden zwei derAngeklagten fristlos aus der Bundeswehr entlassen, zwei weitereschieden nach Ablauf ihrer Verpflichtungszeit aus. Vier ehemaligenAusbilder sind noch vorläufig suspendiert. Der Prozess vor demLandgericht Münster ist auf 45 Verhandlungstage angesetzt.