1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Bundestagswahl 2017: Bundestagswahl 2017: Die Suche nach einem Koalitionspartner hat begonnen

Bundestagswahl 2017 Bundestagswahl 2017: Die Suche nach einem Koalitionspartner hat begonnen

Von Steven Geyer 27.11.2016, 15:47
Die Parteichefs der Großen Koalition (vl) Sigmar Gabriel (2.v.r., SPD), Horst Seehofer (r, CSU) und Angela Merkel (CDU) kommen zu einer Pressekonferenz im Reichstagsgebäude in Berlin.
Die Parteichefs der Großen Koalition (vl) Sigmar Gabriel (2.v.r., SPD), Horst Seehofer (r, CSU) und Angela Merkel (CDU) kommen zu einer Pressekonferenz im Reichstagsgebäude in Berlin.

Berlin - Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl ist die Parteienlandschaft in Bewegung wie lange nicht. Zwar dominierte bei der Alternative für Deutschland auch an diesem Wochenende der interne Streit, als sie die Kandidatenliste für Nordrhein-Westfalen wählte  und Landeschef Pretzell lautstark Manipulation vorgeworfen wurde. Dass die AfD dennoch in den Bundestag zieht, gilt als sicher.

Auch die Chancen der FDP sind wieder gestiegen. So gäbe es erstmals sechs Fraktionen. Außer für AfD und Linkspartei gilt: Jeder würde mit jedem koalieren – was eher zu unübersichtlichen taktischen Manövern führt, wie die Suche nach dem neuen Bundespräsidenten zeigte. Die Union weiß immerhin, dass sie mit Angela Merkel an der Spitze in den Wahlkampf zieht. Zumindest im Norden kann die Basis damit gut leben: Beim ersten Auftritt als Kandidatin auf einer CDU-Regionalkonferenz erntete sie in Neumünster viel Beifall.

Vier Szenarien sind möglich

Bei der SPD nannte dagegen Parteichef Gabriel überraschend Olaf Scholz als denkbaren Kanzlerkandidaten neben sich und Martin Schulz. So wird die Frage immer spannender, welche Koalition 2017 die größten Chancen hat. Wir entwerfen vier Szenarien:

Schwarz-Grün

Leidenschaftlich plädierte am Sonntag Hessen Ministerpräsident Volker Bouffier dafür, dass die Union für die nächste Bundesregierung einen Pakt mit den Grünen anstrebt: CDU/CSU müssten so stark wie möglich werden und nur noch einen kleinen Partner brauchen, sagte er dem Deutschlandfunk. Seine schwarz-grüne Koalition laufe prima. Weil sich nicht die Grünen, sondern die CSU bremst, nannte er deren Vorbehalte sogar „töricht“.

Schon 2013 war Schwarz-Grün vor allem am Graben zwischen CSU und Grünen gescheitert – seitdem kam die Flüchtlingsfrage als Streitpunkt hinzu. Die CDU öffnet sich dagegen für die Option: Auch in Stuttgart regiert sie konstruktiv mit der Ökopartei. Und bei der ersten von fünf Regionalkonferenzen bejubelte die Basis Merkel, obwohl sie ihre Flüchtlingspolitik offensiv verteidigte. Hätte Marianne Birthler nicht abgesagt, hätten Merkel und Seehofer sogar die Ex-Grünen-Chefin als Gauck-Nachfolgerin nominiert. Die SPD hatten die Spitzenleute beider Parteien da kühl übergangen. Gibt es 2017 eine Mehrheit, können wohl selbst die linken Grünen Schwarz-Grün nicht mehr verhindern.

Rot-Rot-Grün

Für die CSU ist es das Schreckensbild, vor dem sie im Wahlkampf warnt – in Berlin und Thüringen schon Realität: SPD, Grüne und Linke regieren das Land gemeinsam. Während in Erfurt der Super-Realo Bodo Ramelow von der Linken die geräuschlos agierende Regierung führt und daher auf kleine Sozialdemokraten und kleine Grüne angewiesen ist, hätte der designierte Regierende von Berlin, Michael Müller (SPD), ein rot-grünes Bündnis bevorzugt. Doch dafür reichten durch den Einzug von AfD und FDP die Sitze nicht. Das ist auch das Szenario, das sich mancher in den drei Parteien für den Bund wünscht.

Sogar SPD-Hasser Oskar Lafontaine gab seinen Widerstand dagegen gerade auf. Das könnte die Fundis in seiner Partei umstimmen. Bei den Grünen steht der linke Flügel, der R2G anstrebt, zwar gerade sehr schwach da. Dafür machte die SPD 2013 den Weg für diese Option auch auf Bundesebene frei – und Parteichef Gabriel adelte ein Treffen von Abgeordneten aller drei Fraktionen jüngst durch einen Besuch. Die Chancen hängen vor allem an der Linken: Kämpft sie auf Seiten Castros und Putins weiter gegen die rot-grünen Hartz-IV-Erfinder, bleibt Merkel Kanzlerin.

Jamaika

Man hört ja nicht  mehr viel vom Ex-Ministerpräsidenten Hessens und CDU-Vizechef Roland Koch, aber das war doch überraschend: „Ich gebe zu, dass mir eine Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP gefallen würde“, warb er gerade im Spiegel für das Bündnis mit den Nationalfarben Jamaikas. Begründung des einstigen Grünen-Fressers: Schwarz-Rot sei Stillstand, Rot-Rot-Grün sein politischer Gegner in Reinform, Jamaika aber würde eine „spannende Debatte über die Zukunft Deutschlands ermöglichen“. Die Chancen hingen nun vor allem daran, dass sich bei den Grünen die „Kretschmänner“ gegen den linken Flügel durchsetzten.

Tatsächlich ist durchaus denkbar, dass im Januar ein grünes Spitzenduo gewählt wird, das eine Koalition mit der Union klar bevorzugt. Zudem setzt sich bei der Ökopartei die Einsicht durch, dass es 2017 weder für Schwarz-Grün, noch für Rot-Rot-Grün reichen könnte. In Schleswig-Holstein – woher mit Robert Habeck ein aussichtsreicher Bewerber auf die Spitzenkandidatur kommt – beschloss ein grüner Landesparteitag gerade, auch Jamaika nicht auszuschließen. Früher undenkbar, doch die FDP unter Christian Lindner ist ja auch nicht mehr die von Guido Westerwelle.

Schwarz-Rot

Es ist zu einer kleinen bundesrepublikanischen Tradition geworden: Wird kurz vor einer Bundestagwahl ein neuer Bundespräsident gesucht, verhandelt der amtierende Kanzler darüber nicht nur mit dem aktuellen Koalitionspartner – sondern findet bisweilen auch in anderen Parteien konstruktive Leute mit ähnlichen Ideen. Oder eben nicht. Deshalb gilt die Mehrheit, die einen neuen Bundespräsidenten wählt, auch als aussichtsreichste Option auf die nächste Regierung.

Das könnte sich 2017 genauso verhalten – nur aus anderen Gründen: Wenn im kommenden Februar der Sozialdemokrat Frank-Walter  Steinmeier wie erwartet zum Staatsoberhaupt gewählt wird, dann vor allem aus Mangel an Alternativen, für die sich eine andere Mehrheit fand. Genau deshalb ist die Fortsetzung von Schwarz-Roten im Bund vielleicht die ödeste Option, aber doch eine wahrscheinliche. Für alles andere ergibt sich vielleicht schlicht keine Mehrheit, zumal die CDU in den Umfragen wieder wächst. Und da ironischerweise gerade eine Große Koalition dazu führt, dass kleine Parteien viele Stimmen einfahren, stecken vor allem die AfD-Wähler in einer paradoxen Situation: Je stärker die „Merkel muss weg“-Partei wird, desto wahrscheinlicher bleibt Merkel.