Bundestagswahl 2017 Bundestagswahl 2017: Die Reform des Wahlrechts ist gescheitert

Berlin - Der Plan, das Wahlrecht vor der Bundestagswahl am 24. September zu reformieren, ist gescheitert. Das verlautet sowohl aus den Koalitions- als auch aus den Oppositionsfraktionen.
„Ich sehe keine Chance auf eine Änderung des Wahlgesetzes in dieser Wahlperiode mehr“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, am Donnerstag dieser Zeitung. „Die Anfechtungsmöglichkeiten steigen mit jeder Sitzungswoche, die bis zur Wahl vergeht. Wir sollten deshalb nach der Wahl eine Kommission einsetzen, die über ein neues Wahlgesetz berät.“
Streit um Überhangmandate
Zentraler Grund des Scheiterns ist der Streit um die Überhangmandate, die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate erzielt, als ihr gemäß der Verteilung der für die Zusammensetzung des Parlaments maßgeblichen Zweitstimmen zustehen. Ein Reformvorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) findet nur bei der Union Zustimmung.
Die Debatte schwelt seit Jahren. Die Koalition aus Union und FDP hatte 2011 eine Wahlrechtsreform verabschiedet. Diese war vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt worden. Die Regelung lasse zu, dass Überhangmandate in einem Umfang anfallen, „der den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufhebt", befanden die Richter.
So hatte die Union 2009 sage und schreibe 24 Überhangmandate errungen. Daraufhin beschloss der Bundestag im Februar 2013 die Einführung von Ausgleichsmandaten, um so das Zweitstimmenergebnis möglichst exakt abzubilden. Bei der Wahl im September 2013 resultierten dann aus fünf Überhangmandaten 28 Ausgleichsmandate. Der Bundestag wurde also aufgebläht.
Lammert will Größe des Bundestags auf maximal 630 Abgeordnete begrenzen
Lammert hat darum jetzt als Gegenmittel eine Maximalgröße von 630 Abgeordneten ins Gespräch gebracht. Doch dazu wird es nicht mehr kommen. Zwar sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer dieser Zeitung: „Wir unterstützen mit Nachdruck den Vorschlag des Bundestagspräsidenten, die Größe des Bundestags auf maximal 630 Abgeordnete zu begrenzen, indem man nicht mehr alle Überhangmandate ausgleicht. Dieser Vorschlag ist fair und entspricht den Vorgaben des Verfassungsgerichts.“
Seine SPD-Kollegin Christine Lambrecht lehnte die Idee indes zuletzt als untauglich ab. Auch sagte sie, eine Reform vor der Wahl sei ohnehin unrealistisch geworden, weil überall bereits Kandidaten nominiert und Wahllisten aufgestellt würden. Und schließlich ist es nach Informationen dieser Zeitung so, dass eine Wahlrechtsreform, die weniger als ein Jahr vor der Wahl verabschiedet würde, bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf Bedenken stieße. Es bestünde die Gefahr einer Rüge.
Bundestag könnte auf 700 Abgeordnete anwachsen
Grosse-Brömer erklärte zum Nein der SPD, das von Linken und Grünen geteilt wird: „Wenn sie den Vorschlag des Bundestagspräsidenten weiter ablehnen, sollen SPD und die Opposition doch bitte endlich einen eigenen Vorschlag machen, der den Vorgaben des Verfassungsgerichts entspricht. Aber bisher ist leider nichts gekommen.“ Die linke Fraktionsgeschäftsführerin Petra Sitte beklagte unterdessen: „Herr Lammert hat zwei Jahre lang gar nichts gemacht. Da hätte es andere Möglichkeiten gegeben.“
Das Scheitern der Reform könnte dazu führen, dass der neue Bundestag, in dem mit AfD und FDP zwei zusätzliche Fraktionen sitzen dürften, auf 700 Abgeordnete und mehr anwächst. Das wiederum stellt nach Meinung aller Beteiligten die Arbeitsfähigkeit des Parlaments infrage. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien will das. Aber ein Ausweg ist aktuell nicht in Sicht.