Bundestag Bundestag: Umstrittener Tornado-Einsatz in Afghanistan beschlossen

Berlin/dpa. - Unmittelbar nach derAbstimmung im Parlament reichten zwei Unionsabgeordnete am FreitagKlage beim Bundesverfassungsgericht ein. Auf einen Termin für dieEntscheidung legte sich das Gericht in Karlsruhe nicht fest.
Während sich die Befürworter von der Entsendung derAufklärungsflugzeuge künftig mehr Schutz für Soldaten und Zivilistenversprechen, bewerten Kritiker den Einsatz als Kriegsbeteiligung undVerstoß gegen das Völkerrecht. 405 Abgeordnete stimmten für denEinsatz, 157 dagegen, 11 enthielten sich. Bei der SPD votierten mehrals ein Drittel der anwesenden Abgeordneten mit Nein. Die Linkestimmte geschlossen dagegen. Zahlreiche Gegenstimmen kamen auch vonGrünen. Nach einer Umfrage sind 69 Prozent der Bundesbürger gegen denEinsatz. Der SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen sagte dazu: «Wirmüssen manchmal Entscheidungen treffen gegen die Stimmung.»
Die Tornados sollen Bilder von Taliban-Stellungen für Angriffe derim Süden Afghanistans kämpfenden Internationalen Schutztruppe ISAFliefern, aber nicht an Kampfeinsätzen beteiligt werden - obwohl sieauch dafür ausgerüstet sind. Dennoch gilt ihr Einsatz als neueQualität der Bundeswehrmission, weil Ziele für Angriffe erfasstwerden.
Ungeachtet der Klage in Karlsruhe liefen die Vorbereitungen fürdie Verlegung der Maschinen nach Angaben der Luftwaffe bereits amFreitag mit Hochdruck an. Verteidigungsminister Franz Josef Jung(CDU) sagte dem Sender n-tv: «Wir werden jetzt die Soldaten umgehendnach Afghanistan verlegen, um die Aufklärungslücke zu schließen.» InWiesbaden sagte Jung am Rande einer Veranstaltung: «Wir werden am 15.April einsatzfähig in Afghanistan sein.» Der Vorwurf, es handele sichum einen völkerrechtswidrigen Einsatz, sei völlig abwegig. DasVorgehen der Abgeordneten sei neben der Sache.
Die Parlamentarier Willy Wimmer (CDU) und Peter Gauweiler (CSU)wollen mit einer einstweiligen Anordnung erwirken, dass die Flugzeugebis zur Entscheidung über ihre Organklage gegen Bundestag undBundesregierung am Boden bleiben. Ihrer Ansicht nach läuftDeutschland Gefahr, in Afghanistan «in die völkerrechtswidrigeKriegführung der Vereinigten Staaten» verstrickt zu werden. DerTornado-Beschluss führe zu einer «stillschweigenden Änderung desNATO-Vertrages», die mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetzunvereinbar sei. Die NATO-Führungsmacht USA verstoße ständig gegenden Vertrag. Sie nähmen für sich das Recht von Präventivkriegen inAnspruch ohne Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat und ohne dassein Angriff durch einen anderen Staat und somit eineSelbstverteidigungslage gegeben sei. Auch der Krieg in Afghanistansei nicht mehr mit Selbstverteidigung zu rechtfertigen.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums verfügen die Maschinenüber eine in der NATO einmalig präzise Aufklärungstechnik, die dazubeitragen könne, den Schaden der Zivilbevölkerung bei Angriffen zuverringern. Dagegen sagte Linksfraktionschef Oskar Lafontaine,Deutschland werde künftig mitschuldig am Tod von Zivilisten sein.Auch er bezeichnete den Einsatz als «Beihilfe zum Bruch desVölkerrechts». Deutschland beteilige sich damit an einem Krieg.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart vonKlaeden (CDU), rechnet mit weiteren Forderungen der NATO, dassDeutschland den Bundeswehreinsatz in Afghanistan über die Tornadoshinaus ausdehnen solle. Die Bundeswehr beteiligt sich bereits mit3000 Soldaten an der ISAF. Von Klaeden sagte, das Wesen einesBündnisses sei, Lasten und Risiken gemeinsam zu tragen. Damit könneDeutschland auch Einfluss auf die Gesamtstrategie ausüben.
Der FDP-Außenexperte Werner Hoyer mahnte: «Aufbau geht vorAufmarsch.» Deutschland müsse aufpassen, «nicht in etwashineinzurutschen, was wir nicht mehr beherrschen». Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte in Anlehnung an die in dieserWoche gestartete Militäroffensive der NATO eine «zivileFrühjahrsoffensive» in Afghanistan. Redner aller Fraktionenverurteilten den Mord an einem Mitarbeiter der DeutschenWelthungerhilfe in Afghanistan am Donnerstag und mahnten, derWiederaufbau des Landes müsse gesichert werden.