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Bundestag beschließt Marine-Einsatz gegen Piraten

19.12.2008, 15:00

Berlin/dpa. - Die Deutsche Marine kämpft erstmals gegen Piraten. Der Bundestag beschloss am Freitag mit breiter Mehrheit, die Bundeswehr an der EU-Mission «Atalanta» vor der Küste Somalias und im Golf von Aden zu beteiligen.

Die bereits im Einsatzgebiet ankernde Fregatte «Karlsruhe» wurde dem EU-Verband unterstellt. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hält Gefechte zwischen deutschen Marine-Soldaten und Piraten für möglich. «Es kann zu Kampfsituationen kommen, wenn Angriffe abgewehrt werden müssen», sagte er dem Fernsehsender N24.

Ziel des Einsatzes ist, Hilfslieferungen an Flüchtlinge und hungernde Menschen in Somalia sowie den von Piraten bedrohten europäisch-asiatischen Hauptseehandelsweg am Horn von Afrika zu schützen. Die Piraten sollen durch das Militär abgeschreckt und Geiselnahmen und Lösegeldforderungen unterbunden werden. Viele Redner im Bundestag beklagten aber fehlende Hilfe für notleidende Staaten in Afrika und die Verschärfung ihrer Lage durch Müllverklappung und Plünderung von Fischbeständen durch nichtafrikanische Länder.

Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich sagte, Somalia, wo mehr als ein Drittel der Bevölkerung auf Hilfe von außen angewiesen sei, stehe stellvertretend für das Versagen der Weltgemeinschaft in Afrika. Nur Entwicklungshilfe und koordinierte und diplomatische Maßnahmen könnten die Lage langfristig verbessern. Piraten hatten auch Schiffe des Welternährungsprogramms für Somalia überfallen. FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger kritisierte, erst seit Piraten internationale Seehandelswege bedrohten, werde reagiert. Sie mahnte: «Mit Soldaten allein ist dieses Problem nicht zu lösen.» Der CDU- Außenexperte Eckart von Klaeden erklärte, ohne Bekämpfung der Piraterie werde es nicht zu einer Stabilisierung Somalias kommen.

491 Abgeordnete votierten für die Mission, 55 dagegen, 12 enthielten sich. Das Mandat läuft zunächst bis zum 15. Dezember 2009. Deutschland beteiligt sich mit bis zu 1400 Soldaten und einer Fregatte. Die Kosten dafür betragen 45 Millionen Euro. Die Fregatte «Karlsruhe» mit etwa 220 Mann Besatzung liegt derzeit im Hafen von Dschibuti, das an Somalia angrenzt. Dort hat die Bundeswehr auch für den US-geführten Antiterrorkampf «Operation Enduring Freedom» (OEF) ihren Marine-Stützpunkt. Unter OEF ist die Fregatte «Mecklenburg- Vorpommern» im Einsatz. Der CDU-Abgeordnete Ulrich Adam teilte mit, dass Jung nächste Woche beide Schiffsbesatzungen besuchen werde.

Paul Schäfer von der Linken sagte, derzeit seien in verschiedenen Missionen elf Kriegsschiffe in der Region, trotzdem seien innerhalb von 24 Stunden vier Schiffe gekapert worden. Es sei beklemmend, dass die anderen Parteien nicht einmal die Option in Erwägung zögen, anstelle des Militärs die für Kriminalität zuständige Polizei einzusetzen. Der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz sagte, das Einsatzgebiet sei achtmal so groß wie Deutschland. Es könne nicht jeder Piraten-Überfall verhindert werden.

Auch die Regierung mahnte, ein umfassender Schutz sei mit dem derzeit von der Internationalen Gemeinschaft aufgebotenen Kräfteansatz nicht zu garantieren. «Atalanta» entlaste die Reedereien nicht von ihrer Eigenverantwortung für eine sichere Schiffspassage und die Sicherheit der Passagiere. Für das Seegebiet besteht eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.

Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte, es sei nicht mit dem Verständnis von Polizei vereinbar, sie mit militärischen Mitteln auszustatten. Der Vorschlag der Linken zu einer Küstenwache sei ohne eine Stationierung deutscher Kräfte an Land nicht umzusetzen. Die Bundeswehr solle aber nicht an Land gehen, weil das eine Involvierung in Kriegshandlungen bedeuten würde.

Der SPD-Verteidigungssprecher Rainer Arnold sprach von einer «Scheinalternative» mit der Küstenwache. In Somalia herrsche seit 17 Jahren Anarchie. Arnold kritisierte auch die FDP wegen ihrer Forderung nach gezielter Zerstörung der Hauptschiffe der Piraten. «Erst denken - dann schießen», rief er der Fraktion zu. Mehrere Abgeordnete forderten die Gründung eines internationalen Seegerichtshofs, um eine einheitliche Grundlage für die Strafverfolgung von festgenommen Piraten zu haben.