Bundesregierung Bundesregierung: Wildern im fremden Ressort
Berlin/ddp. - Keine Kinder, kein Ehemann, keine Erfahrung - dieListe der vermeintlichen Kritikpunkte war lang. Vor allem dasübergroße Erbe ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) - derElterngeld-Kämpferin und öffentlichkeitswirksamen Super-Mutti -lastet auf der Jüngsten im Kabinett. Nun steht die 32-Jährige amDonnerstag bei ihrer Antrittsrede im Bundestag und müht sich mittrockenem Ton, ihrer Amtszeit vorauseilend Profil zu verpassen. Dochauch an diesem Tag wirft von der Leyen ihre Schatten voraus undwildert in Köhlers Ressort.
Ursula von der Leyen kann es nicht lassen. Erst vor wenigen Wochenwechselte sie ins Arbeitsministerium, doch von ihrem alten Ressortkann sie sich nicht so recht trennen. Einige Themen und Mitarbeiternahm sie kurzerhand mit. Zwei wichtige Abteilungsleiter folgten ihrin das neue Haus, ebenso ihr Sprecher. Und auch dort kümmert sich vonder Leyen nun um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - nuranders.
Bei ihrer Antrittsrede an diesem Tag im Parlament mahnt von derLeyen, bei der Kinderbetreuung müsse sich noch einiges tun, um dieChancen von Eltern auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Insbesonderefür Langzeitarbeitslose sei dies oft ein Hindernis. Von LeyensVorgängern im Arbeitsressort, Franz Josef Jung (CDU) und Olaf Scholz(SPD), waren solche Töne nur spärlich bis gar nicht zu hören.
Schon im Familienministerium hat von der Leyen gerne über ihreRessortgrenzen Politik gemacht, Themen an sich gezogen und davon jedeMenge abgearbeitet - allen voran das Elterngeld. Für Köhler bleibtnun kaum etwas übrig.
Gegen diesen Eindruck wehrt sich die Hessin vehement. Gleich zuBeginn ihrer Amtspremiere im Parlament sagt Köhler, sie habe solcheEinschätzungen «mit einiger Verwunderung» zur Kenntnis genommen. Diegroßen Themen der Familienpolitik seien keineswegs abgehakt. Dannsetzt sie an zum Fahrplan für ihre Amtszeit: Die Zahl der Vätermonatebeim Elterngeld will sie erhöhen, ein Teilelterngeld einführen,weiter am Ausbau der Kinderbetreuung arbeiten und beim Kampf gegenden Extremismus - auch das ein Thema ihres Ressorts - mehr das linkeund das islamische Spektrum in den Blick nehmen.
Ihr Ton ist nüchtern, die Gestik zurückhaltend. Sehr vorsichtiggibt sich die CDU-Politikerin bei ihrem Einstand - nicht verhaspeln,nicht vom Redemanuskript abweichen, kritische Themen umschiffen. Dasumstrittene Betreuungsgeld spricht sie erst gar nicht an.
Stattdessen gibt Köhler ein neues Thema als großes Vorhaben aus -die bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. «AlsFamilienministerin verstehe ich mich nicht nur als Anwältin derEltern, sondern auch als Anwältin der Älteren», sagt sie. FürMenschen, die ihre Angehörigen pflegten, werde zu wenig getan. Vieleseien überbeansprucht und hätten große Schwierigkeiten, zusätzlichzur Pflege ihrem Job gerecht zu werden. «Da gibt es eine Menge zu tunund, ich glaube, das wird uns über Jahre beschäftigen.» Schließlichwachse die Zahl der Pflegebedürftigen immer weiter.
Eine Bemerkung schiebt Köhler genüsslich nach: «Als Vertreterinder jungen Generation erlaube ich mir den Hinweis: Diese Frage hätteman auch schon früher angehen müssen.» Zum Schluss also ein dezenterSeitenhieb an die Adresse ihrer Vorgängerin.