Bundespräsident Bundespräsident: Wortlaut der Weihnachtsansprache von Horst Köhler
Berlin/dpa. - Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
meine Frau und ich wünschen Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten.Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Wir haben uns sehr auf Weihnachtengefreut. Die Familie kommt zusammen, wir gehen in die Kirche, dannsingen und essen wir gemeinsam, und die Kinder, längst erwachsen,sind immer noch gespannt auf die Bescherung. Zu bereden gibt es genugnach allem, was dieses Jahr gebracht hat. Hoffentlich können auch Sieein paar Tage der Ruhe und Besinnung erleben!
Weihnachten erinnert uns daran, dass wir uns umeinander kümmernsollen - nicht nur in der Familie oder im Freundes- undBekanntenkreis. Es gibt viele Möglichkeiten, für einen anderen da zusein. Das kann damit beginnen, dass wir einfach mal zuhören und einemFremden ein Lächeln schenken. Mitmenschlichkeit fängt im Kleinen an.
Bei vielen Begegnungen überall im Land habe ich immer wiedererlebt, wie Menschen füreinander da sind und sich gegenseitigunterstützen: Ich habe eine Nachbarschaftsinitiative kennen gelernt,die Jugendliche mit einer Mischung aus Sport, Gemeinschaft undDisziplin von der schiefen Bahn holt. In einem Haus, wo alte undjunge Menschen sich treffen, habe ich erlebt, wie die Älteren für dieNachbarschaft Theater spielen und Kinder betreuen. Junge Familienwerden entlastet, und ältere Menschen erkennen, dass sie gebrauchtwerden. Ich habe Wissenschaftler kennen gelernt, die Spitzenforschungbetreiben und damit Arbeitsplätze von morgen vorbereiten. Zugleichhaben sie aus eigener Initiative für eine Kinderkrippe gesorgt, damitFamilie und Beruf unter einen Hut passen. Und ich habe Firmenchefsgetroffen, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sieArbeitsplätze in Deutschland erhalten können. Solche Beispiele gibtes überall - bestimmt auch in Ihrer Nähe. Sie machen Mut und zeigen,dass es in unserem Land viele Menschen mit guten Ideen gibt. Manchmalhabe ich den Eindruck, die Menschen in unserem Land sind schon weiterals die Politik.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, wir können die großenAufgaben in unserem Land bewältigen. Jeder einzelne kann seinenBeitrag dazu leisten. Von der Politik erwarte ich, dass sie klar undwahrhaftig handelt und den Menschen nichts vormacht. Dabei ist esganz normal, dass sich die Parteien um den richtigen Weg streiten.Patentlösungen gibt es nicht. Aber wir müssen erkennen, dass unsereKinder und Enkel nur dann eine gute Zukunft haben können, wenn wirVeränderungen wagen. Ich bin zuversichtlich: Es wird gut ausgehen,wenn wir den Mut finden, uns auf die Kraft der Freiheit undMitmenschlichkeit zu besinnen.
Vor einigen Tagen bin ich aus Afrika zurückgekehrt. Den meistenMenschen dort geht es wirklich schlecht. Viele hungern Tag für Tag.Besonders die Not der Kinder ist groß. Doch wissen Sie was? Mitten imElend habe ich auch viel Kraft, Mut und Lebensfreude gespürt. Ichsoll sie übrigens von Fatuma grüßen, einer Frau aus dem äthiopischenHochland. Sie hat mich gebeten: «Sagen Sie den Deutschen, wie dankbarwir sind!» Mit Spenden aus Deutschland wurde es möglich, Fatuma vonder Lepra zu heilen. Jetzt baut sie, wieder mit deutscher Hilfe,gemeinsam mit anderen Frauen eine kleine Landwirtschaft auf. Fatumahat mir gezeigt, wie klug sie mit den Spenden aus Deutschland umgeht.Das hat mich beeindruckt.
Am Horn von Afrika habe ich unsere Soldatinnen und Soldatenbesucht. Sie haben mir erzählt, wie sie Weihnachten auf der Fregattefeiern. Ich habe sie von Ihnen allen gegrüßt und mich für ihrenEinsatz bedankt. Denn während wir diese Tage zu Hause verbringen, tunsie und ihre Kameraden in anderen Teilen der Welt Dienst für Friedenund Freiheit - fern von ihren Familien und oft unter Einsatz ihresLebens. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben unseren Dank und unsereAnerkennung verdient.
Dank schulden wir auch denen, die hier zu Hause an den Feiertagenarbeiten. Die einen kümmern sich um die Kranken oder rettenUnfallopfer. Andere sorgen dafür, dass auch über Weihnachten derAlltag klappt. Für uns ist das alles oft selbstverständlich. DerPolizist, die Krankenschwester, der Busfahrer - gerade heute solltenwir an die denken, die für uns Dienst tun. Dankbarkeit haben auchalle verdient, die sich freiwillig und ehrenamtlich, zu Hause und inaller Welt für ihre Mitmenschen einsetzen. Manche von uns spürengerade an Weihnachten auch Einsamkeit, Not und Sorgen. Und uns allebedrückt, wie viele Menschen in Deutschland ohne Arbeit sind. Ichmöchte alle, denen es nicht so gut geht, ganz besonders herzlichgrüßen und wünsche Ihnen, dass es für Sie bald wieder aufwärts geht.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie auch immer Sie heuteWeihnachten feiern: Meine Frau und ich wünschen Ihnen frohe Festtage,und alles Gute und Gottes Segen für das kommende Jahr!
(Die Ansprache wird am 25. Dezember um 19.08 Uhr im ZDF undum 20.05 Uhr in der ARD gesendet.)