Bundespräsident Bundespräsident: Köhler sieht Veränderungspotenzial in Deutschland

Berlin/dpa. - Das Amt des Bundespräsidenten verstehe er als «Amt füralle Deutschen».
Im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» hatte Köhler bereits zuvor zuverstehen gegeben, dass er sich «nicht als ein Instrument desMachtwechsels» sehe. Union und FDP hatten seine Kür als Signal füreinen Regierungswechsel im Jahr 2006 bezeichnet.
Deutschland müsse sich der Globalisierung stellen und habe dazuauch das Potenzial, sagte er vor der Presse in der CDU-Zentrale inBerlin. Den Menschen müsse noch besser als bisher erklärt werden,warum die Reformen notwendig seien. Deutschland sei noch nichtgewappnet für die Zukunft. «Wir leben zu sehr von der Substanz, aberwir haben die Möglichkeiten, wieder Substanz aufzubauen.» Prioritätmüssten Wissenschaft und Bildung erlangen.
Erneut lobte der Präsidentschaftskandidat der Opposition dieReform-Agenda 2010 der Bundesregierung. Sie reiche aber nicht aus.«Sie muss weiter gehen, und sie muss tiefer gehen», sagte er. «Wirhaben das Potenzial in Deutschland, mit den Herausforderungen fertigzu werden.» Er wehre sich dagegen, sie mit Defätismus oder garPessimismus anzugehen. «Aber Deutschland muss noch mehr aufwachen,Reformen durchzuführen.»
CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Edmund Stoibersagten, sie seien von Köhlers Vorstellung und seinen Überlegungensehr beeindruckt. Er verfüge über einen reichen Erfahrungsschatz. Siezeigten sich überzeugt, dass er den Menschen Ängste und Sorgen nehmenkann.
In den nächsten Wochen will Köhler, der die letzten sechs Jahre imAusland tätig war, durch Deutschland reisen und sich den Menschenvorstellen. Als Grund für die Annahme der Kandidatur gab er an, seineigener Lebensweg sei geprägt gewesen von der Chance zu lernen undaufzusteigen, die ihm andere gegeben hätten. Davon wolle er wiederetwas zurückgeben.
Das Gerangel um die Kandidatenaufstellung ließ die Diskussion umeine Direktwahl des Staatsoberhaupts wieder aufleben. Allerdingszeigen sich die Parteispitzen bislang unentschieden oder lehnen einesolche Reform ab, die mit einer Grundgesetzänderung verbunden wäre.
Nach Ansicht der von SPD und Grünen nominierten GegenkandidatinGesine Schwan sind Reformen «notwendig und bieten eine große Chance,aber sie haben zur Folge, dass man Risiken eingehen muss», sagte diePolitologie-Professorin der «Bild am Sonntag». Die Präsidentin derEuropa-Universität Frankfurt (Oder) will sich im Falle ihrer Wahlzuerst für Bildung und Erziehung stark machen.
Schwan sieht sich in der Bundesversammlung am 23. Mai trotz derMehrheit von Union und FDP nicht als «Zählkandidatin»: «Ich binsicher, dass ich bis zur Wahl einige in der Union und der FDP zumNachdenken bringe.»
Mit Blick auf den lange favorisierten Unionskandidaten WolfgangSchäuble (CDU) rügte Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker dieKandidatenauswahl scharf: «Die Nominierungsprozedur war persönlichbeschämend und machtpolitisch verblendet», sagte er dem «Focus».
Erstmals äußerte sich Schäuble zu seiner verhinderten Bewerbung:Es sei «keine Katastrophe, dass sich die Partei für einen anderenKandidaten entschieden hat», sagte er der «Bild am Sonntag». Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wies den Vorwurf zurück, ihr sei dasVerfahren zur Kandidatenkür aus den Händen geglitten.