Bundesminister will Tattoos sicherer machen Bundesminister will Tattoos sicherer machen: Tätowierer soll Ausbildungsberuf werden

Berlin - Totenschädel, Drachen, Engel und Hunde, tätowiert auf Arme, Beine, Rücken. Dutzende solcher Bilder hängen an der Wand des Tattoostudios. Und mitten im Raum steht ein Mann im Anzug. Ein bisschen fehl am Platz wirkt er schon. Doch er selbst sieht das ganz und gar nicht so. Denn der Anzugträger ist CSU-Politiker Christian Schmidt, Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung. Der 58-Jährige fühlt sich nicht nur für Rinder und Getreidesilos verantwortlich, sondern auch für die Haut der Deutschen. Ins Berliner Tattoo-Studio ist er am Mittwoch gekommen, weil er das Tätowieren sicherer machen will. Tatsächlich ist er auch dafür zuständig. Denn neben Ernährung und Landwirtschaft ist er auch für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig.
Der lässt gerade beim Tätowieren oft zu wünschen übrig. „Ein Bockwurstverkäufer auf dem Weihnachtsmarkt muss mehr Regeln einhalten als ein Tätowierer“, beschwert sich Daniel Krause, der mehrere eigene Läden besitzt. Tatsächlich kann sich derzeit noch jeder, der sich eine Nadel im Internet bestellt, Tätowierer nennen und ein eigenes Studio eröffnen. Das soll sich ändern. Mit der Kampagne „Safer Tattoo“ will Schmidt erreichen, dass in Zukunft ein Befähigungsnachweis für den Beruf notwendig wird. Und bald auch eine Ausbildung.
Die Idee dazu kam nicht von Schmidt selbst. Ursprünglich war es eine Forderung des Bundesverbandes Tattoo e. V. Denn schon seit langem lassen sich nicht nur ein paar Leute aus dem Rockermilieu stechen. Laut einer Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem Jahr 2014 sind knapp acht Prozent aller Männer und zehn Prozent aller Frauen in Deutschland tätowiert. Bei den 16- bis 29-Jährigen ist es sogar jeder Vierte. Bei der immer noch steigen Zahl an Kundschaft ist es keiner Wunder, das Tattoostudios wie Pilze aus dem Boden schießen.
Genug Raum also für Pfuscher. Und die gibt es nach Meinung von Krause, dem Gründer vom Bundesverband Tattoo e. V., reichlich. „Die Hälfte der Tätowierer wissen, dass sie Mist bauen.“ Trotzdem machten sie einfach weiter, weil sie die Miete bezahlen und ihre Familie ernähren müssten. Zu oft gehe es in dem Beruf daher nach dem Motto „Learning by doing“ zu.
Was dabei rauskommt, kann man unter anderem in der Fernsehsendung „Horror Tattoos“ auf dem Sender sixx sehen. Dort bemühen sich vier professionelle Körperkünstler, missratene Motive irgendwie zu retten. Ob völlig entstellte Portraits, zittrige Linien oder krakelige Strichmännchen, hier wird deutlich, warum es dringend einer Regelung bedarf. „Es gibt Leute, die trauen sich jahrelang nicht ins Schwimmbad, weil sie einen entstellten Körper haben“, so Krause.
Tätowierer müssen nicht mal einen Erste-Hilfe-Kurs machen
Doch das ist nicht das einzige Problem in der Szene. Es geht auch um Hygiene. Immerhin dringt die Nadel in die Haut ein, hinterlässt kleinste Wunden und kann so zu Infektionen führen. Wenn die Geräte nicht regelmäßig desinfiziert werden, können sie leicht HIV oder Hepatitis C übertragen. Auch schwere Entzündungen sind möglich. Im Netz machen immer wieder Horrorgeschichten die Runde, bei denen zum Teil sogar Gliedmaßen amputiert werden mussten. Selbst einen Erste-Hilfe-Kurs muss kein Tätowierer machen, obwohl immer wieder Leute zusammenklappen, weil ihnen der Stress zu viel wird.
Ähnlich geht es auch bei den Farben zu. Zwar gibt es in Deutschland eine Tätowiermittel-Verordnung, die sicherstellen soll, dass keine Giftstoffe in den Farben enthalten sind. In der restlichen EU aber sind solche Regelungen eher selten. Schmidt will sich deshalb für länderübergreifende Standards einsetzten, gerade, weil sich viele Deutsche ihr Tattoo im Ausland während der Urlaubszeit stechen lassen.
Unter „Safer-Tattoo“ kann sich jeder über die Risiken informieren
Mit dem Start der Kampagne hat Schmidts Ministerium auch eine neue Internetseite an den Start gebracht. Unter „Safer-Tattoo“ kann sich jeder über die Risiken informieren, und auch nachschauen, worauf man bei der Auswahl des richtigen Studios achten muss. Denn Pokale, Auszeichnungen und Urkunden sagen nichts über die Qualität des Ladens aus, so Krause. „Das kann man alles fälschen“. Vielmehr solle man darauf achten, dass die Tätowierer Handschuhe und am besten sogar Mundschutz tragen. „Wenn nicht, solltest du aufstehen und um dein Leben rennen“, sagt Krause. Mindestens genauso wichtig sei die Beratung. Er könne verstehen, dass man einem muskelbepackten und von oben bis unten tätowierten Mann nicht gern kritisch auf den Zahn fühlen wolle, machen sollte man es aber trotzdem. Denn wenn er nicht bereitwillig auf alle Fragen antwortet, sei das ein Alarmsignal.
Ein eigenes Tattoo hat Minister Schmidt nicht, wie er mehrfach betont. Und er habe auch nicht die Absicht, sich eines stechen zu lassen. Allerdings hätten seine Töchter ein Henna-Tattoo – die lassen sich wieder abwaschen. Eine gute Entscheidung. Denn was die GfK-Untersuchung auch gezeigt hat: Knapp 700 000 Menschen wollen sich ihr Tattoo wieder entfernen lassen.