Bulgarien Bulgarien: Europäische Union gilt als das «gelobte Land»

Sofia/dpa. - «Wir sehen das gelobte Land schon am Horizont», freut sichAußenminister Solomon Passi. Vor der am kommenden Montag (25. April)geplanten Unterzeichnung der Beitrittsverträge schwärmt er schon vonden rund 44 Milliarden Euro, die die EU für Bulgarien und dasNachbarland Rumänien eingeplant hat. Politiker aller Parteienwiederholen jeden Tag die Zauberformel von den «EU-Milliarden».
Bulgarien braucht das EU-Geld, um wenigstens die zehn neuen EU-Staaten in ihrer Entwicklung aufholen zu können. Trotz einesRekordwachstums von 5,6 Prozent im vergangenen Jahr liegt dasDurchschnittsgehalt im Staatssektor bei umgerechnet 160 Euro. Jederzweite Bulgare muss nach Gewerkschaftsangaben sogar mit weniger als70 Euro im Monat auskommen. Damit gehört Bulgarien zu den ärmsten EU-Beitrittskandidaten.
Im Sozial- und Gesundheitswesen herrschen teilweise Zustände wiein der Dritten Welt. Dazu kommt die bitter arme Minderheit der Romamit Arbeitslosenquoten bis zu 90 Prozent bei einem Landesdurchschnittvon 13 Prozent. Bis zu 17 Prozent der türkischen Minderheit könnennach den Worten ihrer eigenen Politiker «nicht lesen und schreiben».
Die verschleppte Justizreform ist aber der Stolperstein, der dieAufnahme in die EU um ein Jahr verzögern könnte. Im Beitrittsvertragist eine entsprechende Option enthalten, sollte Sofia die EU-Normennicht erfüllen können. Dazu gehört auch ein effektives Justizsystem,um die organisierte Kriminalität und die weit verbreitete Korruptionzu bekämpfen. Das Land gilt immer noch als Drehscheibe fürGeldfälscher, sowie Drogen- und Frauenhändler.
Rechtssicherheit fordern auch die Investoren aus dem Ausland. Siehaben bislang acht Milliarden Euro in Bulgarien angelegt undbetrachten das Land als «attraktiven Standort» mit qualifiziertenArbeitskräften und günstigem Lohnniveau. Aussichtsreiche Bereichesind die gesamte Infrastruktur, die Bauindustrie sowie derFremdenverkehr am Schwarzen Meer und in den Skiorten der südlichenGebirge. Kein Experte wagt es, jetzt schon zu sagen, wie vieleUnternehmen dem Konkurrenzdruck der EU standhalten könnten. Amschwierigsten dürften es Branchen wie die Nahrungsindustrie haben,weil die EU-Vorschriften kostenträchtige Verbesserungen voraussetzen.
Mit der Aufnahme Bulgariens würde die Europäische Union bis zurGrenze des umstrittenen Beitrittskandidaten Türkei heranrücken. DieEU würde um 110 000 Quadratkilometer und 7,7 Millionen Menschenwachsen. Mit einer Parlamentswahl soll am 25. Juni darüberentschieden werden, welche Partei die Bulgaren ins «gelobte Land» EUführen wird. Die mit der Türkenpartei regierende Nationale Bewegungvon Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski, dem früheren König,liegt derzeit mit 13,9 Prozent auf dem zweiten Platz in der Gunst derWähler nach den oppositionellen Sozialisten (Ex-KP, 27,3 Prozent).