1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Brandenburg: Brandenburg: Prozess um Angriff auf Deutsch-Äthiopier begann

Brandenburg Brandenburg: Prozess um Angriff auf Deutsch-Äthiopier begann

Von Imke Hendrich 07.02.2007, 09:33
Der Deutsch-Äthiopier Ermyas M. gibt am Mittwoch (07.02.2007) in Potsdam vor Prozessbeginn zusammen mit seinem Anwalt Thomas Zippel (l.) ein Statement vor Journalisten. (Foto: dpa)
Der Deutsch-Äthiopier Ermyas M. gibt am Mittwoch (07.02.2007) in Potsdam vor Prozessbeginn zusammen mit seinem Anwalt Thomas Zippel (l.) ein Statement vor Journalisten. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Potsdam/dpa. - Die Anspannung steht Ermyas M. ins Gesicht geschrieben. Dutzende Kameras sind auf ihn gerichtet - das Opfer des lebensgefährlichen Übergriffs vor fast zehn Monaten in Potsdam.Wenige Minuten vor Beginn des Prozesses gegen die beiden mutmaßlichen Täter wegen gefährlicher Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung beißt er sich immer wieder auf die Unterlippe und gibt knappe Antworten auf die Fragen, die auf ihn niederprasseln. Es gehe ihm «relativ sehr gut» und «es ist nicht alles wieder wie vorher».

Vorher, das ist vor dem 16. April 2006, als der dunkelhäutigeDeutsch-Äthiopier Ermyas M. an einer Potsdamer Haltestelle durcheinen Faustschlag ins Koma geprügelt wurde. Entsetzen in der ganzen Republik - wieder eine fremdenfeindliche Attacke im OstenDeutschlands?

Der damalige Generalbundesanwalt Kay Nehm zog die Ermittlungen an sich - wegen Mordversuchs aus Ausländerhass. Das löste einen Streit mit Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) aus, der vor «Hysterie» warnte. Die beiden Verdächtigen waren damals schnell gefasst und kamen in Untersuchungshaft. Aber schon wenig später ruderte Nehm zurück, die Potsdamer Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Am Mittwoch nun sitzen die beiden Angeklagten - seit längerem wieder auf freiem Fuß - in dem angesichts des Medienspektakels viel zu kleinen Saal 009 des Potsdamer Landgerichts.

Wäre nicht die dramatische Vorgeschichte, wäre es ein Prozessunter vielen - es geht schließlich «nur noch» um gefährlicheKörperverletzung, unterlassene Hilfeleistung und Beleidigung. Aber so haben sich Übertragungswagen vor dem Gericht aufgebaut, der Eingang ist abgesperrt, Zuschauer und Presse müssen Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. Nur 15 Journalisten erhielten eine Akkreditierung, nicht wenige müssen draußen bleiben. Drinnen: Die 29- und 31-jährigen Angeklagten, die jegliche Schuld von sich weisen, würdigen sich kaum eines Blickes. Auch Ermyas M. - seine langen Rasta-Locken sind einer Kurzhaarfrisur gewichen - wird nur flüchtig beachtet.

Erkannt hat der Wasserbauingenieur die Beiden vermutlich nicht.«Mein Mandant kann sich überhaupt nicht an die Tat erinnern», sagt Opfer-Anwalt Thomas Zippel. Nur «diffuse Bilder» seien da. Während die Staatsanwaltschaft die Anklage verliest, hören die Beschuldigten äußerlich regungslos zu: In der Tatnacht sollen sie sich mit dem Opfer ein Wortgefecht geliefert haben,. Beschimpfungen, darunter auch «Scheiß Nigger», zeichnete die Handy-Mailbox der Ehefrau auf, die Ermyas M. gerade angerufen hatte.

Als sich die Beschuldigten zunächst entfernten, so die Anklage,versuchte Ermyas M. den Hauptangeklagten Björn L. ins Gesäß zutreten. Daraufhin habe Björn L. mit der Faust zugeschlagen. Thomas M. soll dem am Boden liegenden Opfer nicht geholfen haben. Soweit die Anklage, Begriffe wie «fremdenfeindlich» oder «ausländerfeindlich» stehen dort nicht. Dafür kommen sie aber mehrfach in den Erklärungen vor, die die Angeklagten über ihre Anwälte verlesen lassen. So beteuert Björn L. «Ich habe mit der Verletzung von Ermyas nichts zu tun und bin in keinster Weise ausländerfeindlich». Zur Tatzeit sei er zu Hause gewesen. Ähnlich äußert sich Thomas M..

Björn L. scheint mehrfach den Tränen nahe zu sein, als es inseiner Erklärung um seinen «irreparablen persönlichen Schaden» durch den Fall geht. Derweil verfolgt Ermyas M. die Verhandlung ruhig und hoch konzentriert. Schon am Freitag soll er in den Zeugenstand gerufen werden. Nach dem etwas mehr als halbstündigen ersten Prozesstag weist er Fragen von Medien zurück: «Ich möchte jetzt nur noch Ruhe.»

Ort des Überfalls auf einen Deutsch-Äthiopier am Ostersonntag 2006 war diese Haltestelle in Potsdam. (Foto: dpa)
Ort des Überfalls auf einen Deutsch-Äthiopier am Ostersonntag 2006 war diese Haltestelle in Potsdam. (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild