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BND-Chef Gerhard Schindler zur Abhöraffäre BND-Chef Gerhard Schindler zur Abhöraffäre: "Wir sind abhängig von der NSA nicht umgekehrt"

Von Markus Decker 21.05.2015, 17:44

Berlin - Als Gerhard Schindler um 18.35 Uhr den Sitzungssaal des NSA-Untersuchungsausschusses betrat, verzog er keine Miene. Dabei war das Interesse groß. Zunächst hatte sich ein Dutzend Kameraleute und Fotografen an der Treppe aufgebaut, um den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Empfang zu nehmen.

Als sich herumgesprochen hatte, dass er mit dem Aufzug kommen würde, zogen sie eilig dorthin um. Schindler nahm Platz und stellte sich vor, wie es das Protokoll erfordert. Er sei 62 Jahre alt, sagte er, verheiratet und habe eine Tochter. Ja, und BND-Präsident sei er seit dem 1. Januar 2012. Schließlich fragte der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU), ob der Zeuge vor der Vernehmung noch etwas im Zusammenhang vortragen wolle. Schindler wollte.

Ein bisschen Aufklärung ist gut

Er nutzte das Statement aber nicht, um das Gremium einzuschläfern, wie es andere Zeugen in anderen Untersuchungsausschüssen schon getan haben. Der BND-Präsident hatte vielmehr einen argumentativen Plan, den er ohne Umschweife umsetzte. Das Bemerkenswerte daran war, dass Schindler mit der Bitte um mildernde Umstände begann und danach das Geständnis folgen ließ – nicht, wie es gemeinhin üblich ist, umgekehrt.

„Der Bundesnachrichtendienst ist so leistungsfähig wie lange nicht mehr“, betonte er. Er habe Attentate in Afghanistan verhindert. Er habe den Ukraine-Konflikt im Auge, den internationalen Terror und die Interessen der deutschen Wirtschaft. Dann fuhr Schindler fort: „Unsere Leistungsfähigkeit beruht auf internationaler Zusammenarbeit.“

Und: „Wir sind von der NSA abhängig, nicht umgekehrt.“ Zwar brachte der BND-Chef mehrmals seine Achtung vor dem NSA-Ausschuss zum Ausdruck. Dieser habe eine Diskussion angestoßen, lobte er. Trotzdem gerate der deutsche Auslandsgeheimdienst wegen eben dieses Aufklärungseifers des Parlaments in wachsende Schwierigkeiten. International fänden bereits erste Gespräche ohne ihn statt. Das bereitet Schindler nach eigener Aussage große Sorgen, weil es die Arbeit des BND im Kern gefährde. Ein bisschen Aufklärung ist gut, so lautete die Botschaft. Doch zu viel Aufklärung ist schlecht.

In einem zweiten Schritt kam der Vorgesetzte von 6500 Mitarbeitern zu den vielzitierten Selektorenlisten, die die NSA dem BND unterjubelte – wobei er nicht von Selektoren, also Suchbegriffen für Spionageziele, sprach, sondern von Telekommunikationsmerkmalen. Diese würden seit 2005 in der Abhörstation im bayerischen Bad Aibling verwandt.

Schindler bestreitet Vorwürfe nicht

Bis zum Jahr 2008 seien sie manuell geprüft worden, seither maschinell. Dabei müsse man heute einräumen, dass eine ganze Reihe von Fehlern gemacht worden seien. „Die Überprüfung der Selektoren war von Beginn an unvollständig.“ Und dieses Defizit habe sich verfestigt. Zudem habe die Hausspitze nichts erfahren von der grundlegenden Prüfung aller Selektoren im August 2013 im Zuge der Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, die das ganze Ausmaß des Missbrauchs zulasten europäischer und deutscher Betroffener in Politik und Wirtschaft zutage förderte.

Jedenfalls behauptete Schindler, dass die Hausspitze davon nichts erfahren habe. Er wisse davon erst seit März 2015. Ohnehin habe er stets gedacht, dass von Bad Aibling aus Krisengebiete überwacht würden, so der Zeuge. Für Selektoren mit Bezug zur Europäischen Union habe ihm „die Fantasie gefehlt“.

Mit einem Wort: Ohne ins Detail zu gehen und Zahlen zu nennen, bestritt Gerhard Schindler keinen der öffentlich in Rede stehenden Vorwürfe. Er relativierte sie lediglich. Und auch das stellte der BND-Präsident klar: „Ich trage die Verantwortung für alles, egal, ob ich die Sachverhalte kannte oder nicht kannte.“ Was das Tragen von Verantwortung konkret bedeutet, darüber schwieg er.