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Bildungswesen Bildungswesen: Lehrplanänderungen gegen lückenhaftes DDR-Wissen?

27.07.2008, 14:28
Besucherinnen betrachten im privaten «DDR-Museum der Alltagskultur» in Berlin eine typische Schrankwand von DDR-Bürgern. Weder Lehrer noch Eltern seien wohl in der Lage, Jugendlichen ein objektives Grundwissen über die jüngste deutsche Geschichte zu vermitteln, kritisiert Klaus Schroeder, Forscher an der Freien Universität Berlin. (Foto: dpa)
Besucherinnen betrachten im privaten «DDR-Museum der Alltagskultur» in Berlin eine typische Schrankwand von DDR-Bürgern. Weder Lehrer noch Eltern seien wohl in der Lage, Jugendlichen ein objektives Grundwissen über die jüngste deutsche Geschichte zu vermitteln, kritisiert Klaus Schroeder, Forscher an der Freien Universität Berlin. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zurAufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, regte nach derVeröffentlichung einer entsprechenden Studie an, die Lehrpläne fürden Geschichtsunterricht zu aktualisieren. «Bisher wird dieGeschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg als einewestdeutsche und - wenn noch ein bisschen Zeit übrig bleibt - alseine DDR-Geschichte vermittelt. Mit diesem Nebeneinander muss endlichSchluss sein», sagte der CDU-Politiker der «Westdeutschen AllgemeinenZeitung». Nun seien die Bildungspolitiker der Länder gefordert.

Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im BerlinerAbgeordnetenhaus, Michael Braun, forderte den Senat auf, den Besuchin DDR-Gedenkstätten für Schüler zur Pflicht zu machen. SchulsenatorJürgen Zöllner Zöllner (SPD) solle an die Schulen appellieren, dieGedenkstätten zu besuchen, sagte Braun der Tageszeitung «B.Z. amSonntag». Es sei «völlig unzureichend», dass im vergangenen Jahrlediglich rund 13 500 Schüler aus ganz Deutschland die zentraleMauer-Gedenkstätte in der Bernauer Straße besucht hätten. Es reichenicht aus, die Geschichte der DDR auf die Lehrpläne zu setzen, wie esder Senat getan hat. Besuche in Gedenkstätten vermittelten einenanderen Eindruck «als graue Theorie im Unterricht», sagte Braun.

Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion forderte von den Schulen undanderen Bildungseinrichtungen, das vom Kultusministerium für 2009vorbereitete «Jahr der Demokratie» zu nutzen, um ein zutreffendesDDR-Bild zu vermitteln. Durch fehlende zeitgeschichtliche Kenntnisseleide das politische Urteilsvermögen von Schülern, erklärte diejugendpolitische CDU-Sprecherin im Erfurter Landtag, Beate Meißner.Sie forderte Lehrer und Eltern auf, «den Jugendlichen die ganzeGeschichte zu erzählen. Wer über Scheinwahlen, fehlendeReisefreiheit, gleichgeschaltete Presse, Mauer und Stacheldraht,Bevormundung und Repression oder den alltäglichen Mangel und Zerfallnicht auch redet, versündigt sich an der kommenden Generation.»

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion,Patrick Meinhardt, erklärte am Sonntag in Berlin, es sei «einebildungspolitische Schande, wenn der Kenntnisstand deutscher Schülerin Ost und West über die DDR so katastrophal ist, das diese Zeit auchnoch aus Unkenntnis positiv beurteilt wird». Er erwarte nun von denKultusministerien, «dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden undsofort die SED-Diktatur mit all ihrer menschenverachtenden Politik zueinem Schwerpunkt des Geschichtsunterrichts machen». Die hessischeFDP-Landtagsfraktion sprach sich wie Eppelmann für eine Änderung derLehrpläne aus. «Dass DDR und Stasi für Bespitzelung, Unterdrückungder Bevölkerung und in Mauerdrähten und Minenfeldern ermordeteMenschen stehen, ist den meisten Schülern nicht bewusst.»

19 Jahre nach dem Mauerfall wissen viele Schüler aus Ost und Westnur sehr wenig über die DDR: In einer am Freitag veröffentlichtenBefragung wurde beispielsweise der ehemalige Bundeskanzler und SPD-Chef Willy Brandt von vielen als berühmter DDR-Politiker bezeichnet.Andere meinten, dass es unter Staats- und Parteichef Erich Honeckerin der DDR demokratische Wahlen gegeben habe. Die Studie stammt vomForschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Befragtwurden mehr als 5200 Jugendliche in Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Die Forscher fanden auch heraus, dass eszwischen Kenntnisstand und Urteil über die DDR einen Zusammenhanggibt: Wer wenig weiß, beurteilt die DDR positiver.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) äußerte sich besorgt überdie Ergebnisse der Studie. «Die Wissenslücken mit Blick auf diejüngste Geschichte sind schon frappierend», sagte er der «StuttgarterZeitung» (Samstag). Auch Eppelmann zeigte sich betroffen und betonte:«Wir reden hier aber nicht ausschließlich von einem ostdeutschenPhänomen.» Es gebe viele Jugendliche, die sich für Politik oderGeschichte nicht interessierten. «Wir sprechen über ein generellesProblem, dem Schulen und Universitäten sehr viel mehr Aufmerksamkeitschenken müssen als bisher», sagte Eppelmann.

Junge Mitglieder des Karnevalvereins Kukakö waren beim Rosenmontagsumzug 2007 als Jung- und Thälmannpioniere verkleidet mit Fotos von Egon Krenz, Erich Honecker und Walter Ulbricht unterwegs. (Archivfoto: dpa)
Junge Mitglieder des Karnevalvereins Kukakö waren beim Rosenmontagsumzug 2007 als Jung- und Thälmannpioniere verkleidet mit Fotos von Egon Krenz, Erich Honecker und Walter Ulbricht unterwegs. (Archivfoto: dpa)
dpa-Zentralbild