Bildung Bildung: «Wohlstand schafft gute Bedingungen»

Berlin/dpa. - Es ist der insgesamt dritte seit dem erstenPISA-Test im Jahr 2000, dessen miserable Ergebnisse damals einenSchock in Deutschland auslösten. Zwar wird beim Leistungsranking derLänder erneut mit leichten Verschiebungen gerechnet. Doch an denkrassen Wissensunterschieden der 15-Jährigen quer durch die föderaleBundesrepublik dürfte sich wenig verändert haben. Beim PISA-Test 2003waren 15-jährige bayerische Gymnasiasten ihren Bremer Alterskameradenmit ihren Lernleistungen um weit mehr als ein Schuljahr voraus.
Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm hat die Rahmenbedingungenuntersucht, unter denen in den Bundesländern erfolgreich Schulegemacht und PISA-Erfolge eingefahren werden können. Dort, wo dieSchüler «familiär wenig belastet (sind), wo es zum Beispiel wenigArbeitslose und wenige schwierige Milieus gibt» seien die Chancendafür ungleich besser, sagte Klemm «Zeit online». «Auch Wohlstand schafft gute Bildungsbedingungen. Und es sind die Länder erfolgreich,die den Schulen viele Ressourcen zur Verfügung stellen, wobeispielsweise viele Unterrichtsstunden abgehalten werden.»
Der Wissenschaftler errechnete dazu für seine Analyse unteranderem die Zahl der Unterrichtsstunden einschließlich derZusatzangebote, die ein Schüler von der 1. bis zur 9. Klasse je nachLehrplan des Bundeslandes erhält. Während es in Niedersachsen mit10 635 Stunden das geringste Unterrichtsangebot gibt, sind es ineinigen deutschen PISA-Spitzenländern deutlich mehr: 12 107 inSachsen, 11 496 in Bayern und 11 165 in Baden-Württemberg. AlsErklärung reicht das aber allein nicht aus.
Deutlich unterscheiden sich auch die Ausgaben der Länder proSchüler - sie schwanken zwischen 4700 Euro im Saarland und 6400 Euroin Thüringen. Große Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen liegen mit4800 Euro pro Schüler klar unter dem Bundesschnitt von 5100 Euro.Dieser wird in Baden-Württemberg erreicht. Bayern liegt noch 100 Eurodarüber. Auffällig dabei sind die hohen Kosten in den ostdeutschenBundesländern - auch eine Folge des erheblichen Schülerrückganges indiesen Ländern.
Als wichtig beurteilt Klemm den Vergleich von ökonomischenFaktoren. So schwankten die Arbeitslosenquoten der Bundesländer zumZeitpunkt des jüngsten PISA-Tests 2006 zwischen 19 Prozent inMecklenburg-Vorpommern und 6,3 Prozent in Baden-Württemberg. Zugleichwar der durchschnittliche Brutto-Monatsverdienst eines männlichenArbeitnehmers in Hamburg mit 3863 Euro am höchsten, gefolgt vonHessen (3489 Euro) und Baden-Württemberg (3465 Euro). Am wenigstenwurde dagegen mit 2275 Euro in Thüringen verdient.
Erhebliche Diskrepanzen gibt es zwischen den Ländern auch beimBruttoinlandsprodukt (BIP). 2006 betrug es bundesweit 28 010 Euro jeEinwohner. In Hamburg (49 318 Euro) lag es deutlich darüber - inMecklenburg-Vorpommern (19 112 Euro) und Brandenburg (19 386 Euro)erheblich darunter.
Eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung in Länder- und Gemeindehaushaltenkann schulpolitischen Gestaltungsspielraum einschränken. Bayern hatte2006 mit 3070 Euro den niedrigsten Schuldenstand pro Einwohner,gefolgt von Sachsen mit 3778 Euro. Im bisherigen PISA-Schlusslichtland Bremen war der Schuldenstand dagegen mit 20 149 Euroam höchsten.
Vor dem Hintergrund der schlechten Bildungschancen fürAusländerkinder ist auch ein Blick auf die Migrantenanteile in denjeweiligen Bundesländern aufschlussreich. Während 2006 im gesamtenneuen Bundesgebiet lediglich ein Anteil von 4,7 Prozent registriertwurde, lag dieser in Hamburg mit 25,8 Prozent am höchsten. Aber auchFlächenländer wie Baden-Württemberg (24,8), Hessen (23,4) undNordrhein-Westfalen (23,2) haben überdurchschnittlich hoheMigrantenanteile (Bundesschnitt: 18,4).
Für Klemm hängen die PISA-Ergebnisse von einem Zusammenwirken sehrunterschiedlicher Faktoren ab, die jeweils unterschiedlich gewichtetwerden müssen. So komme es beispielsweise auch auf Herkunft undVorbildung von Migrantengruppen an. Wer wolle, dass DeutschlandsSchulen international besser abschneiden als bisher, solle sich aufdie schwierigen Schülergruppen konzentrieren - zum Beispiel dadurch,dass mehr Sozialarbeiter in den Schulen beschäftigt werden.