Betrug im Parlament Betrug im Parlament: EU-Abgeordnete kassierten unerlaubt Sitzungsgeld

Straßburg/dpa. - In Straßburg wurde der fraktionslose Politiker unterdessen vonSprechern der konservativen und der sozialdemokratischen Fraktionenals wenig vertrauenswürdig eingestuft. Mit dem Vorwurf wolleBuchautor Martin lediglich Werbung für sein neuestes Werk machen, indem er die Eurokraten der Abzockerei bezichtige, hieß es am Montag.
Seit 1. Februar 2001 habe Martin, so «Bild», seine Kollegensystematisch dabei beobachtet, wie sie sich in die Tagegeldlisten desParlaments eintrugen, obwohl sie an keiner Sitzung teilnahmen.Dadurch hätten sie automatisch Anspruch auf das Tagegeld von derzeit262 Euro. Erst vor wenigen Wochen hatte der «Stern» über ähnlicheVorwürfe berichtet.
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Silvana Koch-Mehrin,verlangte von den nationalen und europäischen Ermittlungsbehördeneine konsequente Untersuchung der Vorwürfe. Auch der Vize-Präsidentdes EU-Parlamentes, der CSU-Abgeordnete Ingo Friedrich, forderteKonsequenzen. Wer sich Tagegelder erschleiche, müsse sein Mandatniederlegen, sagte er dem «Münchner Merkur» (Dienstag). Gleichzeitigäußerte Friedrich jedoch wie andere Parlamentarier auch Unverständnisüber den Pauschalangriff gegen die Abgeordneten.
Der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Daniel Cohn-Bendit,erklärte: «Ich bezweifele diese Zahlen. Die Beweislast liegt beiHerrn Martin, der seine Unterlagen an Parlamentspräsident (Pat) Coxweiter geben sollte. Dann werden wir sehen, was aus der Seifenblasewird.» Der stellvertretende Vorsitzende der SozialdemokratischenFraktion, Martin Schulz, sagte: «Die SPD-Abgeordneten halten sich andie gültigen Vorschriften. Sollten Herrn Martin Rechtswidrigkeitenbekannt sein, ist er aufgefordert, die dafür zuständigenKontrollinstanzen einzuschalten oder zur Staatsanwaltschaft zugehen.» Ein Sprecher der österreichischen Sozialdemokraten sagte:«Martin bleibt in dem Artikel jeden Beweis schuldig.»
Martin wurde 1999 für die österreichischen Sozialdemokraten insEU-Parlament gewählt. Im Zusammenhang mit den jetzt bekanntgewordenen Vorwürfen war er im Februar aus der Fraktionausgeschieden, nachdem er mehrere Fraktionskollegen daran hindernwollte, sich in die Anwesenheitsliste einzutragen. «Er hat sichselbst ausgeschlossen, weil er sich weigerte, sich bei seinenKollegen zu entschuldigen», sagte ein Sprecher der SPE-Fraktion.