Betancourt nach sechs Jahren frei
Bogotá/Paris/dpa. - Die wohl bekannteste Geisel der Welt ist frei. Nach sechs Jahren im kolumbianischen Dschungel ist die frühere Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt zusammen mit 14 weiteren Entführungsopfern in einem filmreifen Handstreich aus der Gewalt der Rebellen befreit worden.
Die 46-Jährige, die im Februar 2002 verschleppt worden war, traf am Mittwochabend in der Hauptstadt Bogotá ein. Nachdem sie in Videoaufnahmen vor wenigen Monaten noch sehr krank und ermattet wirkte, machte sie nun einen lebhaften Eindruck und jubelte vor den Kameras. Die Befreiung Betancourts, die auch die französische Staatsbürgerschaft hat, wurde weltweit begrüßt.
Eine Spezialeinheit des Militärs hatte die 15 Geiseln am Mittwoch befreit. Soldaten in zwei Hubschraubern gaben sich als Rebellen aus. Dem FARC-Kommandanten «César», der für die Bewachung der Geiseln zuständig war, erklärten die Soldaten, sie sollten die Geiseln im Auftrag des neuen FARC-Chefs Alfonso Cano in ein anderes Lager fliegen. «César» sei auf die Täuschung hereingefallen und habe die Geiseln übergeben. «Der Hubschrauber wäre fast abgestürzt, so sind wir herumgesprungen und haben gejubelt», beschrieb Betancourt den Augenblick, als den Befreiten bewusst wurde, dass ihre jahrelange Geiselhaft gerade zu Ende gegangen war.
Die Befreiung stellt nach Einschätzung politischer Beobachter in Bogotá eine schwere Demütigung für die bereits geschwächte Rebellengruppe «Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens» (FARC) dar und ist der bisher größte Triumph für den konservativen Präsidenten Alvaro Uribe. Er betonte in einer nächtlichen Ansprache, bei der Geiselbefreiung sei kein einziger Schuss gefallen, und es sei kein Tropfen Blut vergossen worden. Nach der Befreiung hätten die Soldaten vom Hubschrauber aus auf die 13 Bewacher der Geiseln schießen können, sagte Uribe. Es sei der Regierung aber darum gegangen, den Rebellen der FARC eine Botschaft der Versöhnung zu übermitteln, damit sie die noch in ihrer Hand verbliebenen Geiseln gut behandeln und bald freilassen.
Betancourt bedankte sich noch auf dem Flughafen in Bogotá für die jahrelange weltweite Unterstützung. «Ich danke Euch Kolumbianern. Ich danke Euch Franzosen und allen, die mich weltweit begleitet haben», sagte die 46-Jährige auf Spanisch und Französisch. Zugleich lobte sie Uribe.
Die Befreiungsaktion ist weltweit mit Erleichterung aufgenommen worden. US-Präsident George W. Bush beglückwünschte Uribe zu dem Militäreinsatz und nannte ihn einen «starken Führer». Drei Amerikaner, die ebenfalls befreit wurden, kehrten in der Nacht zum Donnerstag in die USA zurück. Sie waren in Kolumbien für den US- Rüstungskonzern Northrop Grumman tätig gewesen.
Bei einer Ansprache im Élyséepalast dankte der französische Präsident Nicolas Sarkozy, umgeben von den Kindern Betancourts, dem kolumbianischen Präsidenten für die Befreiung der Politikerin. Betancourt kündigte noch in der Nacht zum Donnerstag an, sie wolle bald nach Paris reisen. «Ich möchte mich bei Präsident Sarkozy bedanken und bei allen Franzosen, die unsere Unterstützung, unser Licht und unser Leuchtturm waren.»
Unabhängig von der Befreiungsaktion für Betancourt wurde in der Nacht zum Donnerstag auch der Norweger Olf Anshuus Nino aus der Gewalt der FARC befreit. Das Außenministerium in Oslo teilte mit, die FARC habe Nino freigelassen, nannte aber keine Einzelheiten. Nino, der als Mathematikdozent an einer kolumbianischen Universität arbeitete, war im Januar zusammen mit fünf Kolumbianern von der FARC entführt worden.