1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Berlusconi: Koma-Patientin Eluana «wurde ermordet»

Berlusconi: Koma-Patientin Eluana «wurde ermordet»

10.02.2009, 14:22

Rom/dpa. - Nach dem Tod der Koma-Patientin Eluana Englaro plant die italienische Regierung unter Silvio Berlusconi jetzt ein Gesetz zur Patientenverfügung. Unterdessen gab es wütende Proteste vor dem Altersheim, in dem Eluana gestorben war. Im italienischen Parlament kam es zu Handgreiflichkeiten.

Anstelle eines allein auf den «Fall Eluana» zugeschnittenen Eilgesetzes gegen Sterbehilfe wolle die Regierung in den kommenden zwei Wochen ein Gesetz über Patientenverfügungen vorbereiten, teilte Gesundheitsminister Maurizio Sacconi am Dienstag mit. Dabei gehe es insbesondere darum, Fälle wie den der 38-Jährigen Eluana in Zukunft zu verhindern.

Die Frau war am Montagabend nach 17 Jahren im Wachkoma in einem Altersheim im norditalienischen Udine gestorben. Vier Tage zuvor war schrittweise ihre künstliche Ernährung und die Flüssigkeitszufuhr abgestellt worden. Bis zuletzt hatte um ihre Sterbehilfe ein erbitterter Streit getobt.

«Eluana ist nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern wurde ermordet», erklärte Regierungschef Berlusconi kurz nach Bekanntwerden von Eluanas Tod. Er habe «es leider nicht geschafft», die eingeleitete Sterbehilfe zu stoppen. Am vergangenen Freitag hatte sein Ministerrat noch ein auf Eluana zugeschnittenes Dekret verabschiedet, das in letzter Minute vom Staatspräsident Giorgio Napolitano blockiert worden war, der den Beschluss hätte unterzeichnen müssen.

Der Staatspräsident hatte verfassungsrechtliche Bedenken, denn Vater Englaro hatte im November 2008 in letzter Instanz vom obersten italienischen Berufungsgericht die gerichtliche Genehmigung für die Sterbehilfe erhalten. Berlusconi formulierte daraufhin den Text des Dekrets als Eilgesetz, das bis Donnerstag verabschiedet werden sollte, und bot damit unter den Protesten der Opposition Napolitano offen die Stirn.

Als der Tod der Koma-Patientin dann am Montagabend während der «zu ihrer Rettung» einberufenen Senatssitzung platzte, kam es zum Eklat zwischen Sterbehilfegegnern und -Befürwortern. «Mörder, Mörder» rief ein Großteil der Regierungsabgeordneten in Richtung Opposition und beschuldigte diese, absichtlich auf Zeit gespielt zu haben. Manche Senatoren wurden handgreiflich. «Pianti e pugni» (Fäuste und Tränen) schrieb eine Zeitung am Dienstag. Vor dem Altersheim «La Quiete» in Udine, wo Eluana gestorben war, ging es ähnlich wild zu. Hier musste die Polizei eingreifen, um eine Schlägerei zu verhindern, hieß es in italienische Medien. Kritiker der Sterbehilfe meinen, der Tod Eluanas sei zu plötzlich eingetreten. Die Staatsanwaltschaft der Region Friaul ordnete eine Autopsie an, mit der noch am Dienstabend begonnen werden sollte.

Der Vorstand der deutschen Hospizstiftung, Eugen Brysch, bedauerte am Dienstag das «entsetzliche Gezerre» von Gegnern und Befürwortern rund um die Sterbehilfe für Eluana. «Eine politische Inszenierung wie in Italien kann nachhaltig allein durch ein Patientenverfügungsgesetz verhindert werden, das auch zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens klare Regeln vorsieht.» In Italien ist bis heute sowohl die passive als auch die aktive Sterbehilfe verboten. Der Deutsche Bundestag will bis zum Sommer ein Gesetz zur Patientenverfügung verabschieden.