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Koalition Berlin-Wahl: Berliner Option auf Rot-Rot-Grün ist kein Vorbild für den Bund

Von Karl Doemens 18.09.2016, 16:34
Hauptsache kein Schwarz: Die SPD will endlich die ungeliebte große Koalition loswerden.
Hauptsache kein Schwarz: Die SPD will endlich die ungeliebte große Koalition loswerden. dpa-Zentralbild

Berlin -  

Das Berliner Wahlergebnis beflügelt auch im Bund Spekulationen über ein rot-rot-grünes Bündnis. 

Von Karl Doemens und Melanie Reinsch

Sigmar Gabriel verliert keine Zeit. Noch ehe die erste Hochrechnung vorliegt, drängt der SPD-Chef mit dem Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller auf die Bühne der Columbiahalle. Die  Prognosen haben gezeigt: Die SPD bleibt trotz heftiger Verluste stärkste Kraft in der Bundeshauptstadt. Schon witzelt der ARD-Moderator Jörg Schönenborn über den „kleinsten Wahlsieger aller Zeiten“. Wozu also noch warten? Schnell raus und die erste Botschaft setzen: „Berlin bleibt sozial und menschlich anständig“, ruft Gabriel in den Kreuzberger Konzertsaal.

Kein zufriedenstellendes Ergebnis

So richtig berauschend ist das Abschneiden der Berliner Genossen nun wirklich nicht. Aber die SPD hat in der Vermarktung bescheidener Wahlergebnisse schon in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern wichtige Erfahrungen gesammelt. Beide Male lautete die Parole: Hauptsache,  der sozialdemokratische Ministerpräsident bleibt im Amt. So ist es nun auch in Berlin. Darauf kommt es  in der öffentlichen Darstellung an.

Bei genaueren Hinsehen gibt es freilich einen markanten Unterschied zu den Wahlen in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern: Während dort die Amtsinhaber Malu Dreyer und Erwin Sellering auf den letzten Metern einen furiosen Spurt hinlegten, bröckelten die SPD-Werte in der Hauptstadt seit dem Jahreswechsel kontinuierlich ab. „Das war nicht einfach“, räumt nun Gabriel ein. So richtig begeistert wirken auch Generalsekretärin Katarina Barley und Fraktionschef Thomas Oppermann an diesem Abend nicht.  

Bei den lokalen Genossen aber wird die Wahrnehmung des eigenen Ergebnisses überlagert von der Freude über das Ende der großen Koalition und die Aussicht auf ein rot-rot-grünes Bündnis. Da kommt Jubel auf im Saal. Natürlich stellen die Journalisten gleich die Frage nach der Signalwirkung für den Bund. „Das ist eine Entscheidung des Landesverbandes“, wiegelt Barley ab. Auch Gabriel erwähnt die mögliche Machtoption  mit keinem Wort.

Unterschiedliche Verhältnisse

Zu unterschiedlich sind die Verhältnisse in Land und Bund, wo es bei der Flüchtlings- oder Russlandpolitik genauso wie beim Freihandelsabkommen Ceta gewaltige Differenzen gäbe. Außerdem hätte Rot-Rot-Grün bei einem Einzug der AfD in den Bundestag derzeit nicht einmal eine Mehrheit. Und bei der Ökopartei gibt es nicht wenige Anhänger eines Bündnisses mit der Union. „Rot-Rot-Grün wäre erst einmal ein Signal für Berlin. Dann schauen wir weiter“, weicht daher auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt entsprechenden Fragen diplomatisch aus.

Bei der Wahlparty der Linkspartei im Club Rosis schwärmt deren Fraktionschef Dietmar Bartsch immerhin von einem „deutlichen Zeichen, (…) dass ein Wechsel möglich ist.“ Doch über mögliche Konstellationen im Bund 2017 möchte er auch nicht spekulieren.  „Nicht um des Regierens willen“, werde man jedenfalls im Bund eine solche Ehe zu Dritt eingehen, betont Linken-Chef Bernd Riexinger. Es komme darauf an, etwas zu verändern. Aber „eine gute Vorlage für die Bundestagswahl“ sei dieser Abend auf jeden Fall.

Spekulationen ein Vorteil?

Ganz unlieb ist es auch den SPD-Genossen nicht, dass nun über mögliche Alternativen zu Schwarz-Rot  im Bund spekuliert wird. Entscheidend ist das Symbol: Es gibt für die SPD ein Leben jenseits der verhassten großen Koalition. Und zumindest theoretisch existiert eine Machtoption, bei der nicht die Union, sondern die Genossen den Kanzler stellen. Das ist wichtig für die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft. Genauso hilfreich ist es, um aus der aktuellen Formschwäche von CDU-Kanzlerin Angela Merkel politisches Kapital zu schlagen.

Frühzeitig hat Gabriel die Chance erkannt, den mit neuer Heftigkeit aufgeflammten Unions-Streit über die Flüchtlingspolitik zur eigenen Profilierung zu nutzen. Nun legt er noch eine Schippe drauf. „CDU und CSU verbindet nicht mehr genug, um ein Land wie Deutschland zukunftsfähig zu regieren“, stichelt er in der Bild am Sonntag. Genüsslich schürt der SPD-Chef die Unruhe beim Koalitionspartner. Es brauche eine Mehrheit diesseits von CDU/CSU, sagt er: „Denn Deutschland kann nicht auf Dauer im Streit regiert werden.