Berlin Berlin: Spurensuche am Checkpoint Charlie
Berlin/MZ. - Eigentlich ist der Checkpoint Charlie längst Geschichte. Doch die Kreuzung Friedrichstraße-Zimmerstraße zieht Touristen aus aller Welt noch immer wie ein Magnet an. Menschenströme suchen hier nach dem historischen Ort.
Was sie finden, sind Doppelreihen aus Kopfsteinpflaster, die den früheren Mauerverlauf zwischen den Bezirken Mitte und Kreuzberg markieren. "Ja, und ab hier war dann Osten", erläutert ein älterer Herr den Grenzverlauf. "Und wo stand die Abfertigungshalle", fragen die Enkel. Der Mann muss schlucken. Denn die alten Fotos von diesem einst heißesten Ort im Kalten Krieg auf den großen Schautafeln am Straßenrand sind mit der heutigen Umgebung längst nicht mehr in Einklang zu bringen. Neubaublöcke haben den früheren alliierten Übergang überbaut und umstellt. Nicht einmal das schmutzig-weiße Kontrollhäuschen in der Straßenmitte ist ein Original.
Die Besucher stört das wenig. Vor den gestapelten Sandsäcken posieren abwechselnd uniformierte Russen und Amerikaner samt Flagge - das Foto kostet ein Euro. Andere Geschäftsideen wirken hier geradezu makaber. Sowjet-Uniformen, Grenztruppen-Mützen, Stahlhelme kann man hier an Ständen erstehen. Im Mauermuseum dagegen wird auf anschauliche Weise gezeigt, was sich Menschen alles ausgedacht haben, um dem Herrschaftssystem DDR zu entfliehen. Im Cafe Adler direkt an der Kreuzung lässt sich durch die großen Fenster genau beobachten, wie die Leute hier suchen, verharren, staunen und erklären. Der Ort an der Nahtstelle zwischen Ost und West steht wie kein zweiter für die politische Teilung Deutschlands, für das Kräftemessen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs.
Nach der Abriegelung der Grenzen wurde der Übergang am 22. September 1961 für westalliiertes Militärpersonal, ausländische Touristen und Diplomaten eingerichtet. Die Ereignisse machten den Ort zum Mythos: Hier protestierten Westberliner gegen die Grenze und standen sich tagelang amerikanische und russische Panzer gegenüber. Am 17. August 1962 schrie der von Grenzsoldaten angeschossene Peter Fechter im Todesstreifen in unmittelbarer Nähe des Checkpoints 50 Minuten lang um Hilfe - bis er zurückgeholt wurde und auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb.
Immer wieder zog es Menschen an diesen Ort, um mit handgemalten Plakaten für die Freilassung ihrer Kinder und gegen den SED-Unrechtsstaat zu demonstrieren. Nur hier war der direkte Blick nach drüben und auf die DDR-Grenzer möglich, die Öffentlichkeit garantiert.
Im Osten, entlang der Zimmer- und Schützenstraße, sind in den letzten 17 Jahren nach der Wende blockweise Geschäftshäuser entstanden. Im Westteil des Checkpoints hat sich dagegen kaum was verändert. "Die meisten Besucher verlassen ziemlich enttäuscht den Ort", bilanziert Marty Zänkert in seinem Geschäft in den Checkpoint-Arkaden. "Der Checkpoint hat eben seinen Schrecken verloren."
