Berlin Berlin: «Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!»

Berlin/dpa. - Berlin will seinen legendären Oberbürgermeister Ernst Reuter mit einer Stiftung ehren. Das Land plane, eine StiftungErnst-Reuter-Archiv ins Leben zu rufen, kündigten ParlamentspräsidentWalter Momper und Kulturstaatssekretär André Schmitz am Mittwoch aus Anlass des 120. Geburtstages von Reuter an. Zuvor legten sie Kränze auf dem Grab des berühmten Sozialdemokraten auf dem Waldfriedhof Zehlendorf nieder. «Wir wollen das Leben und politische Wirken ErnstReuters wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken», erklärteMomper. Reuter war 1948 zu Beginn der sowjetischen Blockade West-Berlins durch seine berühmte Rede «Völker der Welt, schaut auf dieseStadt!» zur Symbolfigur des Durchhaltewillens der Berliner geworden.
Für die Gründung der Stiftung beantragte der Senat 100 000 Euro imkommenden Doppelhaushalt 2010/2011, der im Herbst im Abgeordnetenhausberaten wird. Die Stiftung Ernst-Reuter-Archiv soll beim LandesarchivBerlin angesiedelt werden. In ihr sollen der im Landesarchivbeheimatete Nachlass Ernst Reuters, das Ernst-Reuter-Archiv sowieweitere Dokumente aus dem Besitz von Reuters Sohn Edzardzusammengefasst werden. Die Stiftung soll diese Bestände erforschen,einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen und Forschungsprojekteinitiieren.
Anknüpfend an den «Mythos vom Blockade-Bürgermeister» soll dieStiftung jedoch über biografische Forschungsarbeit zu Ernst Reuterhinaus gehen und einen neuen, umfassenden Blick auf die vergangenen150 Jahre deutsche und Berliner Geschichte fördern, so Momper.
Ernst Reuter konnte auf ein bewegtes politisches Lebenzurückblicken, bevor er 1953 starb. Bereits mit 23 Jahren trat er1912 in die SPD ein. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet derVolkswirtschaftler in russische Kriegsgefangenschaft und schloss sichin den Revolutionswirren den Bolschewisten an. Er war Sowjetkommissarin Saratow im Wolgagebiet und erster Generalsekretär der KPD. ImJahre 1922 aus der Partei ausgeschlossen, wandte er sich erneut derSPD zu. 1926 wurde Reuter in Berlin zum Stadtrat für Verkehr gewähltund begründete mit anderen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). 1931wurde er Oberbürgermeister von Magdeburg.
Wichtige Jahre waren für Reuter und seine Familie die Zeit desExils in der Türkei, in der er als Hochschullehrer in Ankara undBerater der türkischen Regierung wirkte. Er gilt als der Begründerder Kommunalwissenschaft in der Türkei. Nach dem Zweiten Weltkriegkehrte Reuter nach Berlin zurück, wo er zunächst wieder dasVerkehrsdezernat übernahm. 1947 erstmals zum OberbürgermeisterBerlins gewählt, erzielte Reuter bei der zweiten Wahl nach derTrennung Berlins in Ost- und Westzonen im Dezember 1948 mit 64,5Prozent eins der besten Ergebnisse für die SPD jemals bei Wahlen.