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Behandlungsfehler Behandlungsfehler: Entschädigung bei Ärztepfusch

Von Timot Szent-Ivanyi 05.11.2012, 11:50

Wien/MZ. - Die junge Frau verblutete. Bei einer Operation kam es zu einer unerwarteten Komplikation, die Ärzte, die eigentlich alles richtig gemacht hatten, waren machtlos. Zwei kleine Kinder verloren ihre Mutter. Der Fall erregte so viel Aufmerksamkeit, dass er zur Geburtsstunde einer bis dahin völlig neuen Institution wurde: Im November 1997 richtete die Stadt Wien für alle Einwohner der österreichischen Hauptstadt einen „Fonds für rasche finanzielle Hilfe bei Medizinschäden und bei Härtefällen“ ein. Seitdem in Deutschland über ein neues Patientenrechtegesetz diskutiert wird, gilt der Wiener Fonds als Vorbild für den Aufbau einer ähnlichen Einrichtung auch hierzulande.

Rund 17 Millionen Euro an Entschädigungen haben der Wiener Härtefallfonds und der später gegründete Patientenentschädigungsfonds seit ihrem Bestehen an Patienten ausgezahlt. „Wir sind schon ein wenig stolz, dass wir eine effektive und unbürokratische Lösung geschaffen haben“, sagt die stellvertretende Patientenbeauftragte Wiens, Helga Willinger. In Österreich ist die Rechtslage ähnlich wie in Deutschland: Patienten können nur dann Schadenersatz durchsetzen, wenn die Haftungsfrage eindeutig geklärt ist. Doch der Nachweis von Behandlungsfehlern ist äußerst schwierig. In der Regel dauern Prozesse gegen Ärzte und Kliniken Jahre, was nur wenige Opfer von Kunstfehlern finanziell oder auch körperlich durchstehen. Bei Komplikationen, die überhaupt nichts mit Behandlungsfehlern zu tun haben, zahlt generell niemand.

Vertrauensärzte prüfen

Die Wiener Stadtregierung hat daraus ihre Konsequenzen gezogen. Anlaufstelle für die Patienten ist die sogenannte Patientenanwaltschaft. Glaubt ein Patient, in einer Klinik Opfer von Ärztepfusch oder einer Komplikation geworden zu sein, dann kann er sich kostenlos an diese Institution wenden. Dort prüfen Sachverständige und sogenannte Vertrauensärzte den Fall. Sie versuchen herauszufinden, ob zwischen dem geltend gemachten Schaden und der ärztlichen Behandlung ein Zusammenhang besteht. Wird das eindeutig bejaht, dann stehen die Chancen für die Patienten gut, vom Haftpflichtversicherer der Klinik entschädigt zu werden oder eine entsprechende Klage zu gewinnen. Eine Leistung des Fonds ist dann ausgeschlossen. Wird aber festgestellt, dass die Beweislage höchst unklar ist und daher ein aufwändiges und langwieriges Gerichtsverfahren droht, dann kommt eine Entschädigung aus dem Patientenentschädigungsfonds in Frage.

So zahlte der Fonds 2010 an eine Patientin 100 000 Euro, weil der Nachweis der Schadensursache und des Verschuldens nicht eindeutig erbracht werden konnte. Die 21-Jährige hatte eine Hirnblutung erlitten und schwebte in Lebensgefahr. Sie wurde wochenlang durch Medikamente in ein künstliches Koma versetzt. Als Nebenwirkung sorgten die Medikamente allerdings für eine Auflösung der Skelettmuskulatur, wodurch zahlreiche weitere Operationen notwendig waren. Heute muss die junge Frau daher im Rollstuhl sitzen.

Hilfe leistet der Fonds nach seinen Richtlinien aber auch dann, wenn sich eine bislang unbekannte oder seltene, zugleich aber schwerwiegende Komplikation ereignet hat, die zu einem erheblichen Schaden geführt hat.

Schadenersatz begrenzt

Die gezahlten Entschädigungen sind pro Fall auf 100 000 Euro begrenzt und müssen zurück erstattet werden, sollte es in einem späteren Prozess doch noch Schadenersatz geben. Finanziert wird der Fonds allein von den Patienten. Sie müssen pro Tag eines Klinikaufenthaltes (für maximal 28 Tage pro Jahr) einen Beitrag von 73 Cent zahlen. Dadurch hat der Fonds beispielsweise 2010 200 Fälle mit einem Volumen von insgesamt zwei Millionen Euro entschädigen können.

Dass auch in Deutschland vorgebrachte Argument, ein Entschädigungsfonds nütze allein den Ärzten und fördere sogar den Pfusch, hält Willinger für Unsinn. Bei klaren Behandlungsfehlern müsse schließlich weiter der Verursacher zahlen, argumentiert sie.