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Bedauern über Müntefering-Rücktritt

14.11.2007, 08:43

Berlin/dpa. - Die Rücktrittsankündigung von Vizekanzler und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering ist von vielen seiner SPD-Parteikollegen mit Bedauern und Respekt aufgenommen worden.

SPD-Fraktionschef Peter Struck erklärte im Deutschlandfunk, es sei ein Schock gewesen, als Müntefering ihm am Dienstag seine Entscheidung mitgeteilt habe. Die Politik gehe weiter, aber Müntefering sei «eine der tragenden Säulen dieser Koalition» gewesen.

Seine Nachfolger, Frank-Walter Steinmeier als Vizekanzler und Olaf Scholz als Arbeitsminister, würden sich in die Aufgaben hineinfinden, sagte Struck. Scholz sei ein guter und sachverständiger Politik. «Da gibt es keinen Bruch in der Arbeit des Ministeriums.» In der Arbeitsmarktpolitik werde es weitere Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner geben. Vor allem beim Thema Mindestlohn werde es «immer wieder Ärger geben» mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Unionsfraktion, sagte Struck. Die SPD werde in dieser Frage auch nach dem Rücktritt Münteferings nicht nachlassen.

Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles bezeichnete den Rücktritt von Müntefering als Verlust. Sein Ausscheiden aus der Politik bedeute eine Zäsur, sagte Nahles im rbb-inforadio. Sie respektiere Münteferings Entschluss. Das sei eine im Politikbetrieb schon fast «ungewöhnlich menschliche und persönliche Entscheidung». Olaf Scholz, werde für Kontinuität sorgen, erklärte Nahles. Nach den enttäuschenden jüngsten Entscheidungen des Koalitionspartners, insbesondere beim geplanten Post-Mindestlohn, werde jetzt «mit harten Bandagen um Sachfragen gerungen».

Bereits am Dienstag hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich wie andere Unions-Politiker mit Bedauern über Münteferings Rücktritt geäußert. Es gebe im Leben aber «Wichtigeres als Politik». Sie werde auch mit Scholz und Steinmeier auf seinem neuen Posten «vertrauensvoll» zusammenarbeiten. Die FDP und die Partei Die Linke vermuteten politische Gründe. Die Grünen sahen die Stabilität der Regierung in Gefahr.

Müntefering, der am 21. November seine Ämter endgültig abgeben will, nannte als Grund für seine Entscheidung ausschließlich die schwere Erkrankung seiner Frau. «Es ist kein politischer Grund. Ich sage es ausdrücklich», betonte er. Seiner Frau stehe nach einer schwierigen Operation vor einer Rehabilitation.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck wollte nicht ins Kabinett wechseln und bleibt rheinland-pfälzischer Ministerpräsident in Mainz. Auch nach dem Schritt Münteferings meinte Beck, es wäre ein Fehler, wenn er vollständig nach Berlin wechseln würde. Im Zusammenspiel mit Fraktion, Vizekanzler und Partei gebe es größere Möglichkeiten, sozialdemokratische Politik durchzusetzen. Müntefering betonte hingegen, Beck hätte «alle Möglichkeiten» gehabt, ins Kabinett zu gehen. Steinmeier nannte den Rücktritt einen «tiefen Einschnitt» für die SPD und die große Koalition.

Müntefering hatte sich vor dem SPD-Parteitag einen Machtkampf mit Beck geliefert. Der Parteitag vor zwei Wochen hatte sich trotz der prinzipiellen Bedenken Münteferings für eine Verlängerung des Arbeitslosengelds (ALG) I für Ältere und damit Korrekturen an der Agenda 2010 entschieden. Die Koalitionsspitzen einigten sich nun auf eine solche Verlängerung im Sinne Becks.

Schon im Verlauf des Vormittags hatte Münteferings Sprecher erklärt, der Rücktritt erfolge «aus ausschließlich familiären Gründen». Münteferings inzwischen wieder in Bonn lebende Ehefrau ist seit Jahren an Krebs erkrankt. Sie musste sich erst vor gut einer Woche einer Operation unterziehen.

Müntefering hatte schon vor der Koalitionsrunde Beck und Fraktionschef Peter Struck von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt. Die Kanzlerin unterrichtete er am Dienstagmorgen. Müntefering ist seit dem Regierungsantritt der großen Koalition im November 2005 Arbeits- und Sozialminister. SPD-Vorsitzender war er von März 2004 bis November 2005.

Scholz war bereits von 2002 bis 2005 Generalsekretär der SPD. Nach dem Rücktritt Gerhard Schröders als SPD-Vorsitzender trat Scholz ebenfalls zurück. Der Posten des Vizekanzlers wiederum krönt den steilen innerparteilichen Aufstieg Steinmeiers. Erst auf SPD-Parteitag wurde er erstmals zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.