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Balkan Balkan: Ende des Staates Jugoslawiens wird besiegelt

Von Thomas Brey 02.06.2004, 05:36
Kathedrale in der Innenstadt von Belgrad (Foto: dpa)
Kathedrale in der Innenstadt von Belgrad (Foto: dpa) EPA

Belgrad/dpa. - Viel länger als ein Menschenalter hat der Versuch,die südslawischen Völker in einem gemeinsamen Staat Jugoslawien zuvereinen, nicht gedauert. An diesem Donnerstag wird das Ende desfrüheren Vielvölkerstaates auch offiziell besiegelt, wenn das«Abkommen über die Aufteilung des Vermögens» des alten Staates inKraft tritt. Das 1918 gestartete Staatsexperiment war nach 73 Jahren1991 mit der Abspaltung Sloweniens und Kroatiens endgültiggescheitert.

Jetzt haben sich die fünf Nachfolgestaaten im Grundsatz geeinigt,wer welchen Anteil am jugoslawischen Vermögen erhalten soll. DerVertrag war von den Außenministern zwar schon Ende Mai 2001 in Wienunterschrieben worden. Doch erst, nachdem das kroatische Parlamentvor einem Monat als letztes seine Zustimmung gegeben hatte, konntedas Vertragswerk Gültigkeit erlangen. Darin wird festgelegt, welcherProzentsatz den fünf Folgestaaten an Finanzguthaben und an den 122Botschaften und Konsulaten Jugoslawiens im Ausland zusteht.

Deutlich schwieriger war die Aufrechnung gegenseitigerVersicherungsleistungen, der russischen Schulden, die immer noch inClearingdollar berechnet wurden, sowie der Verbindlichkeitenverschiedener Banken in den fünf Folgestaaten. Daneben musstenRentenformeln entwickelt und der nach den vielen Bürgerkriegen unddem NATO-Bombardement noch vorhandene Besitz der JugoslawischenVolksarmee aufgeteilt werden.

Das Erste (monarchistische) Jugoslawien (1918-1941) war an demGegensatz der beiden größten Völker - Serben und Kroaten -gescheitert. Historiker bezeichneten später die ganz unterschiedlicheGeschichte der zwei Nationen als Ursache für diese Feindschaft. DieSerben hatten Jahrhunderte lang unter orientalisch-osmanischerHerrschaft, die Kroaten im Habsburger Staatsverband gelebt.

Das Zweite (kommunistische) Jugoslawien wurde 1943 von denPartisanen des Josip Broz Tito aus der Taufe gehoben. Jetzt solltendie nationalen Gegensätze durch den Aufbau einer sozial gerechtenGesellschaftsordnung vergessen gemacht werden. Doch nachniedergeschlagenen nationalistischen Ausbrüchen in den 60er und 70erJahren zerbrach der Staat nach dem Zerfall des Bundes der KommunistenMitte der 80er Jahre, der die vielen Völker als Zwangsklammerzusammengehalten hatte.

Erneut scheiterte Jugoslawien am serbisch-kroatischen Gegensatz.Zusätzliche Sprengkraft ging von der Feindschaft zwischen Serben undAlbanern aus. Die Bedeutung der Albaner nahm durch ihre hoheGeburtenrate zusätzlich zu. Nach den vielen Bürgerkriegen zwischen1991 und 1999 wurde die Landkarte neu gezeichnet: Serbien-Montenegro,Kroatien, Slowenien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sind jetzteigenständige Staaten, wo früher Jugoslawien zu Hause war.

Doch viele Diplomaten rechnen damit, dass durch die Abspaltung vonMontenegro und die Selbstständigkeit der südserbischen Albaner-Provinz Kosovo noch zwei Staaten hinzu kommen werden. Weil aber allezerstrittenen Völker die Aufnahme in die NATO und die EuropäischeUnion (EU) anstreben, könnten die neuen Staaten in Zukunft wieder ineinem größeren militärischen, wirtschaftlichen und politischenVerbund vereinigt sein.

Karte des früheren Landes Jugoslawien einst und jetzt (Grafik: dpa)
Karte des früheren Landes Jugoslawien einst und jetzt (Grafik: dpa)
dpa