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Baden-Württemberg Baden-Württemberg: Gewaltausbruch bei «Stuttgart 21»-Protesten

Von Petr Jerabek und Caroline Wadenka 30.09.2010, 15:05
Zwei Männer stützen am Donnerstag im Schlossgarten in Stuttgart einen verletzten Mann. (FOTO: DPA)
Zwei Männer stützen am Donnerstag im Schlossgarten in Stuttgart einen verletzten Mann. (FOTO: DPA) dpa

Stuttgart/dapd. - Die Proteste gegen das Bahnprojekt "Stuttgart21" sind am Donnerstag gewalttätig eskaliert. Bei Absperrungen fürBaumfällarbeiten im Stuttgarter Schlossgarten setzte die Polizeigegen die Demonstranten auch Wasserwerfer und Pfefferspray ein, umderen Blockaden zu lösen. Die Demonstranten selbst sprachen vonmehreren Hundert Verletzten, die Polizei von 116. Derbaden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) wies dieSchuld für die Eskalation den Demonstranten zu.

In der Nacht sollten die ersten von knapp 300 Bäumen imSchlossgarten gefällt werden. Am Abend holte die Polizei ersteDemonstranten aus den Kronen der Bäume. Allgemein wurden weitereProtestaktionen für die Nacht und das bevorstehende Wochenendeerwartet.

Nach Polizeiangaben setzten die Einsatzkräfte, die aus vierBundesländern zusammengezogen wurden, "vereinzelt" Pfefferspraygegen die Tausende Demonstranten ein. Die Protestierer seien aufEinsatzfahrzeuge geklettert, hätten diese blockiert oder dasAufstellen von Absperrgittern behindert, schrieb die Polizei.Einzelne Teilnehmer hätten zudem Reizgas gegen die Polizisteneingesetzt und sie dadurch verletzt. Vereinzelt seien auch Steineauf sie geworfen worden. 99 Personen hätten sich bislang bei denBehandlungsplätzen des Deutschen Roten Kreuzes gemeldet. Davonhätten rund 80 Menschen wegen gereizter Augen behandelt werdenmüssen. Zehn wurden ins Krankenhaus gebracht, 106 wurden ambulantbehandelt. Unter den Verletzten waren der Polizei zufolge sechsMinderjährige: vier 16-Jährige, ein 14-Jähriger und ein 12-Jähriger.

Die "Stuttgart 21"-Gegner sprachen dagegen von mehreren hundertVerletzten. Insgesamt hätten bis zum späten Nachmittag etwa 1.000Menschen Augenverletzungen erlitten, teilten die Projektgegner mit.Hinzu kämen etliche Prellungen, Platzwunden, Verletzungen an Bändernund andere Verletzungen. Bei einer minderjährigen Demonstrantin seieine Gehirnerschütterung festgestellt worden. Die Krankenhäuser inStuttgart seien überlastet. Die Polizei sei mit Reizgas,Schlagstöcken und Tritten gegen die "friedlichen" Demonstrantenvorgegangen. "Die Polizei ist extrem aggressiv", kritisierte eineSprecherin der Demonstranten.

Recht "entsetzt über die Aggression"

Innenminister Rech verteidigte das Vorgehen der Einsatzkräfte.Die Polizei sei aus einer angemeldeten Schülerdemonstration herausmit Pfefferspray und Pflastersteinen angegriffen worden sei, fassteMinisteriumssprecherin Alice Loyson-Siemereng die Erkenntnisse Rechszusammen, der zuvor die Einsatzkräfte vor Ort besucht hatte. Rechhabe sich "entsetzt über die Aggression aus einerSchülerdemonstration heraus" gezeigt. Die Teilnehmer hätten sofortdie "Einsatzmaßnahme gestört" und beispielsweise Bänke aus einemBiergarten zu Barrikaden umfunktioniert sowie Reifen vonPolizei-Lastwagen zerstochen. Als die Beamten mit Pfefferspraybesprüht und mit Pflastersteinen beworfen worden seien, habe diePolizei "ihre Deeskalationsstrategie nicht weiterführen" können undzunächst "einfache körperliche Gewalt" angewendet. Später seien dieEinsatzkräfte ihrerseits mit Pfefferspray und Wasserwerfern gegendie Protestierer vorgegangen, schließlich hätten sie dieDemonstranten weggetragen.

"Die Aggression ging von den Demonstranten aus und nicht von denEinsatzkräften", zitierte die Sprecherin den Minister. Meldungen,dass eine Frau bei dem Einsatz zu Tode gekommen sei, nannte sie"eindeutig falsch". Auch die Polizei dementierte dies. Zu weiterenMeldungen, nach denen ein Demonstrant sein Augenlicht verloren habe,konnte Loyson-Siemereng nichts sagen.

Dagegen räumte der Stuttgarter Oberbürgermeister WolfgangSchuster (CDU) indirekt ein, dass bei dem Polizeieinsatz Kinderverletzt wurden. "Es war ein trauriger Tag für Stuttgart." DieVorkommnisse müssten geprüft werden. "Ich bedauere sehr, dassMenschen verletzt wurden und vor allem dass Kinder und Jugendlichezu Schaden gekommen sind", erklärte er.

Bundestag befasst sich mit Gewalt bei Demonstration

Der Bundestag will sich am (morgigen) Freitag mit der Gewalt beider Demonstration befassen. Der Innenausschuss des Parlaments kommtam Morgen (08.00 Uhr) zu einer Sondersitzung auf Antrag der Linkenzusammen. Grünen-Sprecher Michael Schroeren erklärte darüber hinaus,seine Partei habe eine Vereinbarte Debatte im Plenum beantragt. Siesolle auch noch am Freitag stattfinden.