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Französische Medienberichte Auswärtiges Amt: Deutsche Botschaft in Paris soll schwarze Kasse haben

Von Thorsten Knuf 01.11.2017, 15:24
Der Pariser Eifelturm ist das Wahrzeichen der französischen Hauptstadt.
Der Pariser Eifelturm ist das Wahrzeichen der französischen Hauptstadt. imago stock&people

Wenige Wochen vor dem Ende der Amtszeit von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht sich das Auswärtige Amt mit schweren Vorwürfen in Bezug auf eine seiner wichtigsten Vertretungen konfrontiert: Laut französischen Medienberichten soll es in der deutschen Botschaft in Paris über viele Jahre hinweg eine schwarze Kasse gegeben haben, durch die im Laufe der Zeit mehrere Hunderttausend Euro geschleust und anschließend an das Personal verteilt wurden. Der Verdacht des Sozialbetrugs steht im Raum.

Wie die Tageszeitung Le Monde in ihrer Mittwochausgabe berichtete, wurde die schwarze Kasse im November 2007 eingerichtet. Sie diente dazu, Überstunden des Hauspersonals – etwa Butlern und Köchen – zu bezahlen. Und zwar stets in bar und ohne entsprechende Meldung an die französischen Sozialkassen und Finanzbehörden. Die Zeitung beruft sich auf zahlreiche Unterlagen der Botschaft, die sie einsehen konnte.

Gesondertes Konto für Empfänge in der Botschafter-Residenz

Mindestens drei deutsche Botschafter in Paris sollen während ihrer Amtszeiten nicht nur über die Vorgänge informiert, sondern aktiv daran beteiligt gewesen sein. Zwei von ihnen sind immer noch in Diensten des Auswärtigen Amtes und zählen zu den prominentesten deutschen Diplomaten. Ein Dritter ist inzwischen pensioniert.

Die Grünen im Bundestag nannten den Verdacht am Mittwoch „ungeheuerlich“. Die Abgeordnete Franziska Brantner sagte dieser Zeitung: „Wir brauchen hier eine glasklare Aufklärung und entsprechende Konsequenzen.“ In Deutschland wie in Frankreich ist es verboten, als Arbeitgeber den Sozialkassen Beiträge vorzuenthalten. Hierzulande sieht das Strafgesetzbuch dafür bis zu fünf Jahre Haft vor.

Die Botschafter aktivierten die schwarze Kasse laut Le Monde, wenn externe Organisationen oder Unternehmen aus Deutschland die noble Botschafter-Residenz im 7. Pariser Stadtbezirk für Empfänge mieteten und das hauseigene Personal zu diesem Anlass antreten musste. Anschließend schickte die Botschaftsverwaltung den Veranstaltern eine Rechnung, auf der sich neben den Auslagen für edle Getränke und Speisen auch der Posten „Allgemeinkosten“ befunden haben soll. Dieses Geld soll dann auf ein gesondertes Konto des Botschafters umgeleitet worden sein, das offenkundig die Funktion einer schwarzen Kasse erfüllte.

Interne Untersuchung wird es geben

Der Darstellung zufolge wurden von diesem Bankkonto dann immer wieder mehrere Tausend Euro in kleinen Scheinen abgeholt und an einige, aber nicht alle Hausbeschäftigten in bar ausgezahlt. Ob sich die Diplomaten im Laufe der Zeit auch für private Zwecke von dem Konto bedienten, sei unklar, schreibt Le Monde.

Ein Sprecher von Außenminister Gabriel sagte in Berlin, dass es eine interne Untersuchung über die kolportierten Vorgänge gebe. „Selbstverständlich werden wir diesen Vorwürfen nachgehen.“ Deutsche Auslandsvertretungen hielten sich nicht nur an deutsche Gesetze, sondern auch an die Vorgaben des örtlichen Arbeits- und Sozialrechts. Eine weitere Stellungnahme lehnte der Sprecher mit Verweis auf zwei laufende Kündigungsschutzklagen ehemaliger Botschaftsmitarbeiter in Paris ab.

Ehemaliger Butler spricht von einer Intrige gegen ihn

Bei den klagenden Mitarbeitern handelt es sich um den ehemaligen Butler der Residenz sowie einen Gastronomie-Fachmann.  Dem Butler kündigte die Botschaft im Oktober 2015 wegen schwerer dienstlicher Verfehlungen, dem Gastronomie-Fachmann im März 2016. Im Falle des Butlers ist von Mobbing und sexueller Belästigung die Rede. Er selbst spricht von einer Intrige, die gegen ihn angezettelt worden sei, weil er das Schwarzgeld-Systems innerhalb der Botschaft infrage gestellt habe.

Der Darstellung zufolge war der Mann zugleich mit der Verwaltung des Schwarzgeld-Kontos beauftragt. Ihm gelang es so offenbar, umfangreiche Dokumente zu sichern. Der Anwalt der beiden Gekündigten gewährte Le Monde Einblick in diese Dokumente. Der Anwalt sagte der Zeitung auch, man habe sich bewusst für Kündigungsschutzklagen entschieden, weil hier im Gegensatz zu Strafanzeigen nicht die diplomatische Immunität greife.

Die vermeintliche schwarze Kasse wurde der Darstellung zufolge 2007 in der Amtszeit von Botschafter Peter Ammon aufgebaut, der inzwischen Deutschland in London vertritt. Auf ihn folgten die Botschafter Reinhard Schäfers, welcher sich inzwischen im Ruhestand befindet, sowie Susanne Wasum-Rainer, die nun die Vertretung in Rom leitet. Alle drei sollen das System weitergeführt haben. Ob das auch für den amtierenden Botschafter Nikolaus Meyer-Landrut gilt, sei nicht bekannt, schreibt Le Monde.