Austritt aus der SPD Austritt aus der SPD: Oskar Lafontaine lässt es zum zweiten Mal krachen
Berlin/MZ. - Einmalig in 142 Jahren
Jetzt lässt es der gelernte Diplom-Physiker aus dem Saarland noch einmal so richtig krachen. Er sei bereit, ließ Lafontaine am Dienstag verlauten, für ein Parteien-Bündnis aus PDS und der neuen Linkspartei "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" (WASG) als Kandidat in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf zu ziehen. Ein ehemaliger SPD-Chef, der seiner Partei wutschnaubend den Rücken kehrt - das ist einmalig in der 142-jährigen Geschichte der deutschen Sozialdemokratie.
Auch bezeichnend: Schröder und Lafontaine sind sich seit der politischen Fahnenflucht des Saarländers nie wieder begegnet. Ja, sie haben seither nicht einmal mehr miteinander telefoniert. Umso stärker fällt rückblickend der Kontrast im Mit- und Gegeneinander der Akteure aus: Da gibt es den Mannheimer SPD-Parteitag vom November 1995, auf dem Lafontaine mit einer fulminanten Rede den Boden bereitet zur Abwahl des glücklosen Vorsitzenden Rudolf Scharping - per Kampfabstimmung. Dann "Oskars" Meisterstück: Der Mann mit dem ausgeprägtem Führungswillen verzichtet zu Gunsten Schröders auf die eigene Kanzlerkandidatur 1998. Die SPD-Propaganda-Herolde tönen: "Zwischen Schröder und Lafontaine passt kein Blatt Papier."
Tatsächlich muss die Entfremdung früh eingesetzt haben: Schröder präsentiert im Sommer 1998 als künftigen Wirtschaftsminister den Unternehmer Jost Stollmann. Lafontaine startet eine Mobbing-Aktion, bis Stollmann seinen Verzicht erklärt. Da ist allerdings die Bundestagswahl 1998 schon zu Gunsten von Rot-Grün gelaufen. Schröder schlägt zurück. Er holt den quirligen Werbe-Profi Bodo Hombach ins Kanzleramt. Lafontaine ist wie vom Donner gerührt. Er ziert sich anfangs, als Bundesfinanzminister in das Bundeskabinett einzutreten und sich der Richtlinienkompetenz Schröders zu unterwerfen. Fraktionschef - das wäre Lafontaine Ende des Jahres 1998 am liebsten gewesen.
Grundsatz-Streit
Anfang 1999 nehmen die Hakeleien Duell-Charakter an. Dahinter steckt ein Grundsatz-Streit: Wo soll es lang gehen? Entweder: mehr Anreize für die Wirtschaft, was Schröder für erforderlich hält. Oder, was Lafontaine favorisiert: eine gezielte Politik für den Geldbeutel der kleinen Leute - auch wenn dadurch die Staatsverschuldung in die Höhe schnellen sollte.
Es ist wie beim ruppigen Fußballspiel: Seit jenem 11. März 1999 sinnt Lafontaine auf Revanche-Fouls. Da gibt es die Kolumnen Lafontaines in der "Bild"-Zeitung, angefüllt mit galliger Häme und Besserwisserei. Dazu gehören Fernseh-Auftritte und Buch-Präsentationen. Lafontaines Sehnsucht nach Rückkehr in die politische Arena blitzt immer wieder auf - etwa als er sich 2004 in Leipzig unter die Hartz IV-Protestierer mischt. Unvergessen ist jener Empfang aus Anlass von Lafontaines 60. Geburtstag 2003. Der Jubilar sagt mit der unverhüllten Pose der Eitelkeit: "Ich fühle mich fit wie ein alter Schlachtgaul. Wenn ich die Trompete höre, fange ich an, unruhig zu werden." So will er denn nun, die vorgezogenen Bundestagswahlen im Blick, seiner Unruhe frönen.