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Außenpolitik Außenpolitik: Stoiber musste eine Stunde lang auf Putin warten

Von Dorothea Hülsmeier 11.10.2006, 11:51
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (l.) und der russische Präsident Wladimir Putin gehen in der Residenz in München für ein gemeinsames Statement auf die Bühne. (Foto: dpa)
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (l.) und der russische Präsident Wladimir Putin gehen in der Residenz in München für ein gemeinsames Statement auf die Bühne. (Foto: dpa) dpa

Dresden/München/dpa. - So hatte sich Ministerpräsident EdmundStoiber den Auftakt zum ersten Bayern-Besuch des russischenPräsidenten Wladimir Putin wohl nicht vorgestellt: Der Präsident ließden bayerischen Regierungschef am Morgen einfach warten. Denn Putinzog es vor, ungeplant noch ausgiebig durch Dresdens Innenstadt zubummeln - seiner früheren Wirkungsstätte als KGB-Agent. Derweilschwitzten in der prallen Sonne vor der Münchner Residenz dieKnabenkappelle Nördlingen und die Trachtenverbände und übten nocheinmal ihre Märsche.

Als drei ohrenbetäubende Salutschüsse die Ankunft Putins undStoibers meldeten und beide das bunte Trachtenspalier abgingen,wirkten sie leicht angestrengt. Putin lächelte gequält, und Stoiberverzog die Mundwinkel, als sie sich den Fotografen stellten.Weiträumig war die Residenz abgesperrt. So konnte Putin auch nichtdie Mahnwache der Grünen sehen, die mit Fotos der ermordetenkremlkritischen Journalistin Anna Politkowskaja hinter denAbsperrungen demonstrierten. Hunderte Schaulustige verfolgten PutinsEinzug in die Residenz. Sie schwiegen, Applaus gab es nicht. Nur einein einzelner Ruf hallte über den Max-Joseph-Platz: «Mörder.»

Putin verfolgte die Welle der Kritik angesichts des Mordes anPolitkowskaja bis nach Bayern. Auch Stoiber nahm sich im Gespräch imkleinen Kreis offensichtlich kein Blatt vor den Mund und sprach dieLage der Pressefreiheit an. Putin selbst äußerte sich zumindestöffentlich nicht mehr zu den Freiheitsrechten in Russland - Fragenbei der Pressekonferenz waren nicht erlaubt.

Nachdem Stoiber eine Stunde auf den Kremlchef hatte warten müssen,entspannte sich die Atmosphäre wohl erst langsam. Zum Auftakt derWirtschaftsgespräche in der Residenz verzichtete Stoiber auf einenGroßteil seiner Eingangsrede. Er könne nun nur «in aller Gedrängheit»den Wirtschafts- und Innovationsstandort Bayern vorstellen.

Putin antwortete wie zur Entschuldigung mit einer Lobeshymne aufStoiber, die russisch-bayerischen Wirtschaftsbeziehungen, denfarbenprächtigen Trachtenempfang. Und er vergaß auch nicht, Stoibernachträglich zum 65. Geburtstag zu gratulieren und auf dieRegierungsbeteiligung der CSU in Berlin zu verweisen. Stoiberwiederholte zwar das Interesse der Bundesregierung für einen Ausbauder Wirtschaftszusammenarbeit. Doch hielt er nur den halbausgestreckten Arm hin - «gewisse Grenzen» gebe es bei «bestimmtenstrategischen Industrien», sagte er.

Stoiber spielte damit auf den fünfprozentigen Kapitaleinstieg derstaatlich kontrollierten Vneshtorgbank beim europäischen Flugzeug-und Rüstungskonzern EADS an. Der «Hunger» Russlands sei aber größer,meinen deutsche Manager. Das Unbehagen vor den Russen dürfteallerdings nicht geringer geworden sein, nachdem am Mittwoch einFilialleiter der Vneshtorgbank in Moskau vor seiner Wohnungerschossen wurde.

Putin ging im öffentlichen Teil der Wirtschaftsgespräche auf diemöglichen Konflikte nicht ein. Gesprächsbedarf gab es aber wohl dochmehr als erwartet beim Essen mit 140 Repräsentanten aus Wirtschaftund Politik in der Residenz. Denn der für den Nachmittag erwarteteWirtschaftsvortrag Putins zögerte sich immer weiter hinaus.

Vielleicht gefiel es Putin aber auch besonders gut in der Residenzder bayerischen Könige. Fand doch der letzte ranghohe Zarenbesuch ausRussland in München vor bald 170 Jahren statt, wie er kenntnisreichausführte. Im Jahr 1838 kam Zar Nikolaus I. nach München. Ob Putinsich 2006 damit in der Zarennachfolge sieht, blieb ein Geheimnis.

Wladimir Putin, Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt im Grünen Gewölbe in Dresden. (Foto: dpa)
Wladimir Putin, Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt im Grünen Gewölbe in Dresden. (Foto: dpa)
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