"Aufstehen gegen Rassismus" "Aufstehen gegen Rassismus": Tausende demonstrieren in Berlin gegen Rechts

Die Musik, die zum offiziellen Start der Demo am Sonnabend um 14 Uhr über den Adenauer-Platz wummert, klingt eher nach Love-Parade als nach der größten anti-AfD-Demo im Berliner Wahlkampf. Ein langhaariger Mann tanzt einsam vor dem DJ-Wagen.
Ein Bündnis von weit mehr als zwei Dutzend Parteien, Gewerkschaften und linken bis linksradikalen Gruppen erwartet 10.000 Teilnehmer. Die wollen unter dem Motto "Berlin braucht keine AfD - Aufstehen gegen Rassismus" an den wichtigsten Stätten der rechten politischen Gegner vorbei demonstrieren: an der Bibliothek des Konservatismus und der AfD-Zentrale in der Schillstraße.
"Wir wollen zwei Wochen vor der Wahl in Berlin noch einmal das Stadtbild prägen", sagt Ronda Kipka vom Aktionsbündnis. Die AfD mache viel Wirbel im Wahlkampf und finde viel zu viel Beachtung mit ihren undemokratischen Einstellungen und ihrer rassistischen Hetze. "Wir wollen eine solidarische Stadt." Es habe eine Verschiebung der öffentlichen Wahrnehmung nach rechtsaußen gegeben. Früher war klar, wo die rechte Schmuddelecke sei, da habe nur die NPD all das gesagt, was man nicht sagen dürfe. "Nun sagt es die AfD, und wir wollen zeigen, dass mit diesem Rechtspopulismus der Ausgrenzung eine rote Linie überschritten wurde."
Eine 23-jährige Studentin sagt, dass sie ganz verwirrt sei vom ständig wachsenden Erfolg der Neuen Rechten. "Ich dachte immer, dass die Mehrheit in der Bundesrepublik den antifaschistischen Grundkonsens teilt", sagt Vonda Werkler. Dann schaut sie etwas hilflos und sagt: "Und ich hoffe es eigentlich immer noch."
Bunte Mischung im Publikum
Es sind dann doch nur maximal 1500 Leute, die den ersten Reden lauschen. Das Spektrum ist bunt gemischt: vorn die Wagen von Linkspartei, Verdi und Attac, aber auch die Interventionistische Linke ist dabei, eine Art radikaler Block, der auch am Vortag bei der Blockupy-Demo dabei war und für Gerangel sorgte - die Leute tragen fast alle Schwarz, genau wie die Polizisten, die sich in Schusswesten und mit Helmen, Pistolen und Schlagstöcken gleich neben ihnen postiert haben.
Die Mischung im Publikum ist bunt: Vertreter des gesamten linken Spektrums von SPD bis DKP, Punks, Homosexuelle, muslimische Frauen mit Kopftüchern, junge coole Langbärte und Altlinke mit weißen Bärten, dazu Abtreibungsbefürworter, aber hier - im Herzen von West-Berlin am Ku'damm - auch alte Dame mit teuren weißen Hose und opulenten Dauerwellen. Dazu lila Fahnen mit Aufschriften "gegen christlichen Fundamentalismus".
Thomas Eberhard-Köster von Attac prangert die Personenkontrollen durch die Polizei an. "So etwas hat es neulich bei der AfD nicht gegeben und da sind bekannte Neonazis mitmarschiert."
Weitgehend friedlich
Die Redner rufen dazu auf, die AfD nicht zu wählen, aber das macht auf diesem Platz wohl sowieso niemand. Die Redner warnen vor den Rechtspopulisten, die Wünsche aus der Bevölkerung nach einfachen Lösungen doch nur mit der Präsentation von Sündenböcken und Scheinlösungen bedienen.
Dann zieht der Demozug los. Es bleibt weitgehend friedlich, ein paar Rauchbomben fliegen. Die Polizei spricht von 2000 Teilnehmern.
Direkt vor dem Haus AfD-Zentrale hat die Polizei Absperrgitter, sechs Mannschaftswagen und mehr als drei Dutzend Uniformierte mit Helmen postiert. Von schräg gegenüber, vom Lützowplatz, auf dem die Abschlusskundgebung stattfinden soll, weht luftige Rockmusik herüber. Polizei steht auch in den Hauseingängen der Umgebung in großen Gruppen, das Blaulicht der Einsatzwagen leuchtet in den Seitenstraßen.
Als der Demozug gegen 16.40 Uhr die Zentrale der Gegner erreicht, Buhrufe und Pfiffe, ein paar Leute ziehen eine symbolische rote Linie auf die Straße - aus bemalten Pappkartons.
Nach dieser Aktion beginnt 200 Meter weiter auf dem Lützowplatz das Abschlusskonzert.
50 Festnahmen bei Blockupy am Freitag
Am Freitag hatte das linke Bündnis Blockupy mit Blockadeaktionen und Demonstrationen gegen Kapitalismus und für eine andere Integrationspolitik demonstriert. Der große Teil der Aktionen verlief friedlich, einige Randalierer warfen aber auch Steine und Böller auf Polizisten. Mehr als 50 Menschen wurden festgenommen, mehrere Polizisten wurden verletzt.
Am Sonntag wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt, die Berliner wählen zwei Wochen später. In beiden Ländern könnte die AfD laut aktuellen Umfragen mit einem zweistelligen Ergebnis in die Parlamente einziehen. (mit dpa)