1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Atomkraftwerk Temelin: Atomkraftwerk Temelin: Volksbegehren belastet die Beziehungen

Atomkraftwerk Temelin Atomkraftwerk Temelin: Volksbegehren belastet die Beziehungen

17.01.2002, 12:15
Das AKW in Temelin
Das AKW in Temelin CTK/epa

Wien/Prag/dpa. - Seit vergangenem Montag können die Wahlberechtigten in Österreichdas von der mitregierenden Freiheitlichen Partei (FPÖ) initiierteVolksbegehren unterschreiben. Es hat zum Ziel, Prag so lange den EU-Beitritt zu verwehren, bis Tschechien auf das nahe des Dreiländerecksmit Deutschland und Österreich gelegene AKW Temelin verzichtet. AlsGrund nennt die FPÖ massive Sicherheitsbedenken. Die will Pragfreilich bis zum Beitrittstermin ausgeräumt haben und hat sich dazuauch vertraglich verpflichtet. Der FPÖ, die in diesem Fall dieauflagenstarke «Kronenzeitung» im Rücken hat, ist das zu wenig.

Offenbar sauer auf die Initiative ließ Zeman zu Wochenbeginn miteinem Interview aufhorchen. «Haider und seine postfaschistische FPÖ»sollten alsbald abgewählt werden, sagte der Sozialdemokrat - underntete in Wien erbostes Kopfschütteln. Außenministerin BenitaFerrero-Waldner wies «die Äußerungen Zemans strikt» zurück, sprachvon Einmischung in innere Angelegenheiten und bestellte dentschechischen Botschafter ein. Haider bescheinigte Zeman daraufhindie Geisteshaltung jener Kommunisten, «die 1968 dieDemokratiebewegung mit Panzern niedergewalzt haben». Was dentschechischen Premier wiederum zur Feststellung veranlasste: «Ichbetrachte Herrn Haider als Österreichs politisches Tschernobyl.»

Damit nicht genug, beginnt nun auch die jeweils zweite politischeReihe zu zetern. Der Vorsitzende der österreichischenSozialdemokraten, Alfred Gusenbauer, wies die Äußerungen seinesParteifreundes aus Prag empört zurück. Zeman mache sich «zumErfüllungsgehilfen des FPÖ-Volksbegehrens». Tatsächlich ist seitBekanntwerden der Vorwürfe Zemans der ohnedies große Andrang an denEintragungslokalen gestiegen. Gut 100 000 Österreicher mehr könntenwegen der verbalen Auseinandersetzung jetzt gegen Temelinunterschreiben, sagen die Meinungsforscher.

Auch auf tschechischer Seite will die Opposition jetzt mitAngriffen auf Österreich innenpolitisch punkten. Aus Haiders Reden«atmet der Geist Adolf Hitlers», heißt es da etwa bei denChristdemokraten und die konservative Bürgerpartei ortet eine«antitschechische Hysterie in Österreich», die nicht mehr hingenommenwerden könne.

Dabei ist Temelin nur einer der Zankpunkte. Die FPÖ will einen EU-Beitritt Tschechiens von einer Aufhebung der Benes-Dekrete abhängigmachen, die die entschädigungslose Enteigung und Vertreibung vonSudeten- und Karpatendeutschen sowie Ungarn aus der damaligenTschechoslowakei ermöglichten. Für Prag ist diese Forderung nochimmer unannehmbar. Außerdem hat die Mitte-Rechts-Regierung in Wienbis heute nicht verwunden, dass Tschechien sich als einziges Landaußerhalb der Union an den EU-Sanktionen gegen Österreich beteiligthat.

Und doch erwarten Kommentatoren in beiden Ländern, dass sich dieEmotionen rasch abkühlen und wieder Sachlichkeit und Vernunfteinkehren. «Mit dem dumm-fahrlässigen Gebrauch von Kampfbegriffenreicht es jetzt», schrieb der «Kurier» in Wien. Und die Prager «Mladafronta Dnes» meinte: «Zeman? Haider? Der Teufel soll sie holen! EinKrieg wird daraus nicht. Bevor der brave Soldat Schwejk in dieSchlacht zieht, spaziert er lieber durch den Wiener Prater. Und dasist die gute Nachricht für Europa.»