Arzneimittel Arzneimittel: Ausgaben steigen rapide an
Berlin/dpa. - Gesundheitsministerin UllaSchmidt (SPD) rechnet mit zwei Milliarden Euro mehr zulasten derBeitragszahler. Bei der Vorstellung des Arzneiverordnungs-Report 2008 kritisierte Schmidt am Dienstag in Berlin eine zu langsame Umsetzung jüngster Reformen und zeigte Sympathie für weitere Spargesetze.
Als Erfolg gegen den Kostenanstieg listet der Report für 2007Preissenkungen von 5,1 Prozent bei Nachahmer-Mitteln (Generika) auf. Trotz ihres verstärkten Einsatzes gab es deshalb Einsparungen. Dagegen verordneten die Ärzte mehr teure, relativ neue Mittel. «Die patentgeschützten Arzneimittel sind in Deutschland besonders teuer», erläuterte der Heidelberger Pharmakologe Ulrich Schwabe. Als «Herausforderung für die Zukunft» stellte Mitherausgeber Dieter Paffrath Spezialmittel etwa gegen Krebs oder AIDS heraus, die den Herstellern im vergangenen Jahr 6 Milliarden Euro Umsatz bescherten.
Die Steigerungsraten bei Arzneimitteln insgesamt betrugen 20076,7 Prozent auf knapp 28 Milliarden Euro und im ersten Halbjahr 2008 5,7 Prozent. Die Krankenkassen könnten nach Ansicht von Schwabe 3 bis 5,6 Milliarden Euro bei Medikamenten ohne Qualitätseinbußen im Jahr einsparen. In Deutschland seien die Preise oft viel höher als in England, Schweden oder anderen Ländern.
Schmidt schloss sich Forderungen der Forscher gegen als überhöhtgeltende Preise neuer Mittel an. So sei eine Rückzahlungspflicht zu überlegen. Diese könnte die Hersteller treffen, wenn einige Zeit nach der Markteinführung eines neuen Mittels der tatsächliche Nutzen bewertet und dabei festgestellt wird, dass das Mittel zu teuer war. AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens mahnte, bis zu einer Rückzahlung dürfe es nicht Jahre dauern. Ein entsprechendes Gesetz sei bislang nicht in Planung, sagte Schmidt.
Stattdessen forderte die Ministerin Ärzte, Kassen und Klinikenauf, mit der Umsetzung jüngster Reformschritte eine Umkehr desKostenanstiegs zu schaffen. So sei eine Bewertung des tatsächlichen Nutzens neuer Mittel parallel zu den Kosten zentral. Hier gibt es bislang nur Pilotversuche. Auch das Einholen einer Zweitmeinung bei der Verschreibung teurer Spezialmedikamente müsse von der Selbstverwaltung mit «mehr Dynamik» auf den Weg gebracht werden, forderte Schmidt. Hier herrschen im zuständigen Bundesausschuss Unstimmigkeiten.
Mit den jüngsten Zahlen zeichnet sich rund drei Monate vor demStart des Gesundheitsfonds die Erhöhung der Kassenbeiträge immergenauer ab. Anfang Oktober unterbreiten die Schätzer der Regierungeinen Vorschlag über Einnahmen und Ausgaben der Kassen 2009. Zu denzwei Milliarden Euro mehr für Arznei kommen wohl rund drei Milliardenmehr für die Kliniken und 2,7 Milliarden für die Kassenärzte.Dagegengerechnet werden Mehreinnahmen der Kassen aufgrund derLohnentwicklung. Ahrens erneuerte seine Prognose eines Einheitssatzesvon bis zu 15,8 Prozent. Der Durchschnittssatz liegt heute bei 14,92Prozent inklusive Sonderbeitrags von 0,9 Prozent der Versicherten.