Armenien-Resolution Armenien-Resolution: Merkel bestreitet Beschädigung der deutsch-türkischen Beziehung

Berlin - Solche Mehrheiten sind selten im Deutschen Bundestag – bei einem monatelang derart umstrittenen Gesetz gibt es sie sonst nie: Mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung hat das Parlament an diesem Donnerstag der Resolution zugestimmt, die des osmanischen Völkermords an den Armeniern von 1915 gedenkt und die deutsche Mitschuld einräumt.
Auf der Besuchertribüne verfolgten die beiden Botschafter der Türkei und Armeniens noch die Debatte – die dritte zum Thema im Bundestag –, kurz nach der Abstimmung kündigte die türkische Regierung dann schon an, ihren Vertreter aus Berlin zurückzurufen. Damit seien die deutsch-türkischen Beziehungen ernsthaft beschädigt, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Kenia-Reise.
Protest von türkischer Seite
Diese Reaktion war absehbar: Bis zuletzt hatten türkische Politiker, aber auch deutschtürkische Verbände und Demonstranten gegen die Einstufung der Massaker von 1915 als Völkermord protestiert. Von einer „Politshow“ mit negativen Folgen für das ohnehin angespannte deutsch-türkische Verhältnis sprach etwa die Türkische Gemeinde in Deutschland. „Durch die Resolution wird eine historische Frage mit der Tagespolitik vermischt, die zunächst wissenschaftlich aufgearbeitet werden müsste“, sagte ihre Vorsitzende Gökay Sofuoglu. Am Vorabend waren rund 1000 Demonstranten dem Aufruf des Verbandes zur Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin gefolgt.
In der Bundestagsdebatte wendeten sich mehrere Redner auch an sie: Sie riefen dazu auf, sich anhand vorliegender Akten ein eigenes Bild von den historischen Vorgängen zu machen. Sie betonten, wie etwa Unionsfraktionsvize Franz Josef Jung, dass der Beschluss keineswegs die Türkei auf die Anklagebank setzen wolle. „Die heutige Regierung in der Türkei ist nicht verantwortlich für das, was vor 100 Jahren geschah“, hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zur Eröffnung betont, „aber sie ist mitverantwortlich für das, was daraus in Zukunft wird.“ Der Bundestag wolle unbequemen Fragen nicht aus dem Weg gehen. Drohungen vor allem gegen türkischstämmige Abgeordnete verurteilte er scharf.
Wie alle Redner ging auch Grünen-Chef Cem Özdemir, der vor mehr als einem Jahr die Resolution maßgeblich angestoßen hatte, auf die deutsche Mitschuld ein: Das Deutsche Reich als militärischer Partner des damaligen Osmanischen Reiches hatte den Massakern tatenlos zugesehen, wenn nicht gar Unterstützung geleistet. Es sei daher eine „historische Verpflichtung“, Armenier und Türken aus Freundschaft zur Versöhnung zu ermuntern, betonte Özdemir.
Merkel fehlte bei der Abstimmung
Bei Massakern und Deportationen von Armeniern waren von 1915 an rund eine Millionen Angehöriger der christlichen Minderheit ums Leben gekommen. Die türkische Regierung hat inzwischen bereits ihr Bedauern ausgedrückt; die Einstufung als Völkermord lehnt sie aber strikt ab.
Nur die Linksfraktion verband den türkischen Umgang mit den historischen Verbrechen und der Meinungsfreiheit im Land mit der aktuellen Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: „Es demütigt uns alle“, sagte Ex-Fraktionschef Gregor Gysi, „dass die Bundeskanzlerin zu all diesen Menschenrechtsverletzungen mehr schweigt als spricht, sich bei Präsident Erdogan eher anbiedert.“
Merkel selbst hatte am Vortag erklären lassen, dass sie die Resolution unterstützt, fehlte aber „aus Termingründen“ bei der Abstimmung. Nach dem Beschluss bestritt sie ernsthafte Beeinträchtigungen der Beziehungen zur Türkei: Diese, sagte sie bei einer Pressekonferenz in Berlin, seien trotz der Differenzen „eng und breit“.