Anschlag in Samarra Anschlag in Samarra: Schuldzuweisungen und Angst vor neuen Massakern
Kairo/dpa. - Die Zerstörungder Minarette der Goldenen Moschee von Samarra hat die Menschen anEuphrat und Tigris dagegen so sehr erschüttert, dass innerhalb vondrei Stunden alle maßgeblichen Politiker und islamischen Geistlichendes Landes aktiv werden.
In Bagdad wird eine Ausgangssperre verhängt, Polizisten undSoldaten marschieren vor den Moscheen der Hauptstadt auf undPräsident Dschalal Talabani beruft ein Treffen der Staatsführung ein,um weitere Maßnahmen zu beschließen. Denn im Irak sind dieLebensumstände vieler Menschen mittlerweile so unerträglich, dassReligion und Familie ihre letzten Stützen sind. Sowohl die Führung inBagdad als auch der schiitische Klerus in Nadschaf wissen: Wer diereligiösen Gefühle dieser Menschen verletzt, muss mit Fanatismus undRache rechnen.
Und genau darauf haben es die Terroristen, die in Samarra dieBomben in der Moschee platziert haben, auch abgesehen. Denn der ersteAnschlag auf die Grabmoschee vor 16 Monaten hatte eine selbst fürirakische Verhältnisse beispiellose Serie von Gewalt und Gegengewaltausgelöst. Seither werden die Menschen im Irak nicht nur inPolizeistationen und Parteibüros, sondern auch in Moscheen, Schulenund Krankenhäusern von Anschlägen heimgesucht.
Während die meisten Iraker nun die Köpfe einziehen und beten, dassder zweite Sturm von Samarra ohne größere Verwüstungen an ihnenvorüberziehen möge, versucht in Bagdad auf politischer Ebene nahezujeder, den Anschlag für seine Zwecke auszuschlachten. Der sunnitischeRat der Religionsgelehrten fordert den Rücktritt der Regierung desschiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Er wirft ihr vor,die von Milizen unterwanderten Sicherheitskräfte nicht ausreichend zukontrollieren. Denn anders sei es nicht zu erklären, dass dieTerroristen Sprengsätze unter den Minaretten anbringen konnten,«obwohl alle vier Eingänge zu dem Moschee-Komplex geschlossen waren».
Der radikale Schiiten-Führer Muktada al-Sadr meldet sich derweilmit seinem Standardsatz zu Wort: «Die amerikanischen Besatzer sinddie Wurzel allen Übels.» Er begründet die angebliche Schuld derAmerikaner an dem jüngsten Anschlag mit dem schlichten Argument: «EinMuslim würde es nie wagen, so etwas zu tun.»