Anschlag in Berlin Anschlag Breitscheidplatz in Berlin: Anis Amri zeigte nach Tat IS-Gruß in Videokamera am Bahnhof Zoo

Berlin - Die Bundesanwaltschaft hat sich am Mittwochnachmittag zum Ermittlungsstand zum Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz bekannt gegeben. „Nach unseren Erkenntnissen, nach all dem, was wir zusammengetragen haben, gehen wir davon aus, dass Anis Amri den Anschlag begangen hat“, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, in Karlsruhe. Nun werde ermittelt, ob jemand etwas von den konkreten Anschlagsplänen Amris gewusst und ob es Helfer gegeben habe.
Tauhid-Gruß in Kamera gezeigt
Amri soll den Ermittlungen zufolge direkt nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche am Abend des 19. Dezember in den Bahnhof Zoo geflüchtet sein. Dort wurde er von Überwachungskameras aufgezeichnet. Wie die Sprecherin der Bundesanwaltschaft mitteilte, sei er sich dieser Aufzeichnung wohl bewusst gewesen. Er habe den erhobenen Zeigefinger in Richtung Kamera gezeigt - dieser sogenannte Tauhid-Gruß wird von IS-Anhängern genutzt.
Auf einem Überwachungsvideo aus dem Berliner Bahnhof Zoo ist der Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri zu sehen, wie der Tunesier nach der Tat auf seiner Flucht den Zeigefinger in Richtung Kamera gehoben hat. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft war dies der sogenannte Tauhid-Gruß.
Die Geste ist bekannt: So recken etwa Anhänger des islamischen Staats (IS) auf zahlreichen Fotos und in Videos, die die Dschihadisten zeigen, häufig einen Zeigefinger in die Höhe, wenn sie für Kameras posieren.
Dabei ist das Zeichen eine typische Geste bei Muslimen und Teil eines jeden Gebets. Der gestreckte Zeigefinger symbolisiert den Glauben an den einen und einzigartigen Gott („Tauhid“). Das Zeichen ist der sichtbare Ausdruck des islamischen Glaubensbekenntnisses, in dem bezeugt wird, dass es neben dem einen Gott („Allah“) keine anderen Götter gibt. (dpa)
Neue Informationen wurden auch zu den Stunden vor dem Anschlag bekannt. So soll sich Amri am Nachmittag am Friedrich-Krause-Ufer in Berlin-Moabit aufgehalten haben. Von dort ging er in die Perleberger Straße, um die Fussilet-Moschee aufzusuchen. Gegen halb acht sei er ans Friedrich-Krause-Ufer zurückgekehrt und habe sich dort Zugang zu dem Lastwagen verschafft, mit dem er kurz darauf in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz fuhr. Dabei kamen zwölf Personen ums Leben, mehr als 50 wurden verletzt.
Die Spurenbilder sprechen dafür, dass der Schuss, mit dem Amri den polnischen Lastwagenfahrer tötete, vom Fahrersitz abgegeben wurde. Hinweise, dass sich eine dritte Person in der Fahrerkabine befunden habe, hätten sich nicht bestätigt.
Die Bundesanwaltschaft bestätigte, dass es sich bei der Waffe um dieselbe handelte, die der Attentäter auch in Mailand mit sich führte, als er dort von Polizisten erschossen wurde. Woher die Waffe stammt, ist dabei noch unklar. Das Modell stamme von einer Ende der 90er Jahre insolvent gegangenen Firma. Es sei schwierig den Werdegang der Waffe zu verfolgen, sagte Frauke Köhler.
Kontaktmann festgenommen
Auch Menschen aus dem Umfeld Amris sind Ziel der Untersuchungen. Am Dienstagabend haben Ermittler eine Flüchtlingsunterkunft in der Motardstraße in Berlin-Spandau durchsucht. Dabei wurde ein 26-jähriger Tunesier vorläufig festgenommen. Er gilt als Kontaktmann des Berliner Attentäters.
Nach Informationen der Behörden kannte Amri den 26-Jährigen seit Ende 2015. Am Vorabend des Anschlags soll er sich mit ihm in einem Restaurant in Berlin-Gesundbrunnen zum Essen getroffen haben. Dadurch habe sich der Verdacht einer Beteiligung oder zumindest Kenntnis des bevorstehenden Anschlags ergeben, hieß es bei der Pressekonferenz in Karlsruhe. Gegen den Verdächtigen haben die Behörden zwar Haftbefehl erlassen, allerdings wegen Verdacht auf Sozialbetrug. Einen dringenden Tatverdacht mit Bezug auf den Anschlag gebe nicht. Bei der Durchsuchung seiner Unterkunft wurden Kommunikationsmittel beschlagnahmt, die aktuell ausgewertet werden.
Auch ein früherer Mitbewohner Amris, mit dem er im Herbst 2016 ein Zimmer in Gesundbrunnen bewohnt haben soll, wurde von der Polizei als Zeuge befragt. Amri soll am Vormittag und am Nachmittag des Anschlagstags versucht haben, Kontakt zu dem Mann aufzunehmen. Ob dieser zustande kam, sei noch unklar. Auch hier werden weiter Kommunikationsmittel ausgewertet.
Die Behörden konnten mittlerweile auch den Fluchtweg Amris weiter rekonstruieren. Nach Erkenntnissen der niederländischen Behörden sei der 24-Jährige am 21. Dezember, also zwei Tage nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, mittags um 11.30 Uhr zuerst in Nimwegen gewesen und gegen 13.30 Uhr dann in Amsterdam. Das sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, am Mittwoch in Karlsruhe. An beiden Bahnhöfen soll er von Überwachungskameras gefilmt worden sein.
Wo sich Amri am 20. Dezember, dem Tag nach der Tat, aufhielt, ist noch nicht endgültig geklärt. Es gebe Erkenntnisse, wonach er nach der Tat über Nordrhein-Westfalen reiste, sagte Köhler. Das müsse aber noch weiter untersucht werden. Von Amsterdam fuhr Amri nach Lyon und Chambéry in Frankreich, dann nach Turin und schließlich nach Mailand. Hier wurde er am 23. Dezember bei einer Polizeikontrolle erschossen.
Die Leiche des Berliner Attentäters Anis Amri liegt immer noch bei den Ermittlungsbehörden im italienischen Monza. Bisher habe sie niemand zurückgefordert, auch niemand der Familie, berichtete die Nachrichtenagentur ADN Kronos am Mittwoch unter Berufung auf die Behörde. An dem Körper des Tunesiers sollten weitere Untersuchungen durchgeführt werden - zum Beispiel, ob Amri Drogen konsumiert habe.
Viele Details im Zusammenhang mit Berlin-Attentäter ungeklärt
Zweieinhalb Wochen nach dem Terroranschlag des IS-Anhängers Anis Amri in Berlin sind zahlreiche Details weiterhin offen. Nach wie vor sei unklar, an wen Amri unmittelbar vor dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt aus dem Fahrerhaus des Lkw heraus eine Sprachnachricht und ein Foto gesendet habe, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, am Mittwoch in Karlsruhe. Einzelheiten wollte die Sprecherin nicht bekannt geben, weil dies die laufenden Ermittlungen beeinträchtigen könne.
Unklar ist auch, ob Amri schon in Italien Kontakt zu dem später in Berlin getöteten polnischen Lkw-Fahrer aufgenommen hatte. Die Bundesanwaltschaft gehe auch dieser Frage nach, sagte Köhler. Es gebe bislang aber weder Erkenntnisse, die dafür sprächen, noch welche dagegen. Der Fahrer hatte mit seinem Lkw am 19. Dezember Stahlteile aus Italien nach Berlin-Moabit gebracht, wo Amri den Lastwagen kaperte. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Tunesier Vorkenntnisse zur Bedienung des Lkw hatte.
Zu Medienberichten, nach denen Amri möglicherweise am Tag nach der Tat sein Facebook-Profil von Nordrhein-Westfalen aus gelöscht habe, lägen keine Erkenntnisse vor, sagte die Sprecherin. (mit dpa)
