Ägypten Ägypten: Kairo sucht den Super-Muezzin

Kairo/dpa. - Schon seit der muslimische Feldherr Amr Ibn al-AasÄgypten im 7. Jahrhundert eroberte, schallt der vielstimmige Klangder Gebetsrufer täglich fünf Mal durch die Stadt der tausendMinarette.
Einige Muezzine haben schöne Stimmen, andere klingen heiser undwenig melodiös. Und obwohl die Gebetszeiten auf die Minute genaufestgelegt sind, beginnt der eine Muezzin etwas früher zu rufen, derandere eine halbe Minute später, so dass aus dem Gebetsruf eine Artunfreiwilliger Kanon wird. Denn nicht bei allen Muezzinen geht derWecker hundertprozentig genau, und so mancher kommt vielleicht etwasspäter aus dem Bett als sein Kollege.
Mit dieser orientalischen Nachlässigkeit soll jetzt Schluss sein.Das ägyptische Ministerium für religiöse Stiftungen lässt in den 4000größeren Moscheen der Stadt demnächst Empfangsgeräte installieren,mit denen aus einer einzigen Moschee fünf Mal täglich ein zentralerGebetsruf live übertragen werden soll. Das «Allahu Akbar» wird dannüberall zur gleichen Zeit und mit derselben Stimme erschallen.
Laut Ministerium wurden in einem großen Wettbewerb unter Leitungeines berühmten Koran-Rezitators bereits die 25 schönsten Muezzin-Stimmen von Kairo ermittelt. Für jeden Gebetsruf werden je zweiMuezzine eingeteilt. Denn Millionen von Muslimen sollen schließlichnicht ihr Gebet verpassen, nur weil der Muezzin mit derwohlklingenden Intonation verschlafen oder den Bus verpasst hat.
Kritiker der neuen Regelung sind vor allem unter denTraditionalisten des einflussreichen Al-Azhar-Islam-Instituts zufinden. Sie haben in der seit Jahren andauernden Debatte über das Fürund Wider des einheitlichen Gebetsrufes vor allem zwei Argumentevorgebracht: Ein Muezzin, der nicht mehr zum Gebet rufen dürfe, werdedadurch einer Möglichkeit beraubt, durch fromme Taten göttlichen Lohn(Thauab) zu ernten. Auch sei es falsch, nach Perfektion zu streben,anstatt einfach nur die Frömmigkeit dieser Männer zu belohnen.
Zwar hat das Ministerium angekündigt, man werde für alle Muezzine,die durch die neue Regelung arbeitslos würden, andere Aufgabenfinden. Doch nicht alle Muezzine sind so gebildet, dass sieersatzweise als Prediger eingesetzt werden können.
Auch die Einwohner Kairos sind in der Frage des einheitlichenGebetsrufes gespalten, so wie in fast allen anderen religiösen Fragenauch. «Der Wohlklang wird die Menschen motivieren, häufiger zubeten», meinen die Befürworter des Planes. «Das schwächt den Islam inÄgypten», glauben seine Gegner.
In anderen islamischen Ländern ist die Technik zwar noch weiterauf dem Vormarsch: So führten die geistlichen Behörden in dertürkischen Stadt Burdur vor fünf Jahren einen zentral übertragenenGebetsruf ein, der sogar vom Tonband kam. Doch dass nicht einmal einlebendiger Mensch zum Gebet ruft, ist für die traditionelleingestellten Ägypter erst recht nicht denkbar.
Da das ägyptische Ministerium die Empfangsgeräte für die Live-Übertragung inzwischen bestellt hat, sieht es so aus, als sei dieFrage in Kairo nun ohnehin schon entschieden. Im August werden dieersten 500 Apparate ausgeliefert. Anfang 2007 soll dann allerortspünktlicher Wohlklang herrschen. Bewährt sich das neue System, isteine Ausweitung auf andere ägyptische Städte geplant.
Die Muezzine der kleinen inoffiziellen Gebetsräume, von denen esin den größeren Vierteln von Kairo Hunderte gibt, sind von der neuenRegelung allerdings ausgenommen. Sie werden weiterhin so zum Gebetrufen, wie es ihnen gefällt.