Agenten-Affäre Guillaume Agenten-Affäre Guillaume: Autor räumt mit DDR-Legenden auf
Halle/MZ. - Die Bilder von der Rückkehr der Kundschafter-Helden gehörten in den 80er Jahren beim Wachregiment "Felix Dzierzynski" ebenso zum Politunterricht wie bei den Offizierschülern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS): Günter und Christel Guillaume in trauter Zweisamkeit, ein Paar, dem 20 Jahre an der "unsichtbaren Front" und sieben Jahre in westdeutschen Gefängnissen augenscheinlich nichts ausgemacht zu haben schienen.
Gerhard Haase-Hindenberg, der an diesem Montagabend in Halle seine neue Vortragsreise beginnt, kennt den angeblichen Dokumentarfilm. Doch der Buchautor weiß
aus erster Hand, dass das am 24. April 1974 in Bonn verhaftete und schon lange vorher persönlich zerrüttete Agenten-Duo nach seiner Rückkehr für den Propagandastreifen schwitzen musste. "Die Szenen wurden mehrfach gedreht, bis es nach Harmonie aussah", sagt Hindenberg, der auf Einladung der Außenstelle Halle der Birthler-Behörde in die Martin-Luther-Universität gekommen ist.
Was noch bis weit nach dem Ende von DDR und MfS als Geheimnis gehütet wurde, hat Hindenberg von Pierre Boom - dem Sohn der Guillaumes - erfahren. Doch bei den Recherchen zu dem im Vorjahr erschienenen Buch über das Leben des unfreiwilligen Agenten-Sprosses ist der Autor auch mit anderen Protagonisten der spektakulärsten deutsch-deutschen Agenten-Affäre ins Gespräch gekommen.
Was der Führungsoffizier der Guillaumes, der zufällig am Tag der Verhaftung nach Bonn gereiste MfS-Resident und nicht zuletzt Christel Guillaume berichteten, entspricht nicht der DDR-Version von der Enttarnung der Top-Spione. "Wir haben von der Verhaftung erst aus dem Westradio erfahren", meint etwa Kurt Geilert. Der MfS-Oberst tritt damit Legenden entgegen, wonach die Agentenzentrale in Ostberlins Normannenstraße stets bestens über die Konkurrenz im Westen im Bilde war.
Auch das von DDR-Spionagechef Markus Wolf gern verbreitete Gerücht, die Guillaumes seien längst "abgeschaltet" gewesen, hält der Erinnerung der unmittelbaren Protagonisten der Affäre nicht stand. Sowohl Geilert als auch die mittlerweile verstorbene Christel Guillaume sprachen Hindenberg auf Tonband, dass die Wolf-Truppe bis zuletzt auf das Kundschafter-Ehepaar setzte. Ostberlin war sich so sicher, dass noch am Tag der Verhaftung zwei Genossen losgeschickt wurden, um dem Kanzlervertrauten und dessen Frau zukünftig unter die Arme zu greifen.
Gerhard Haase-Hindenberg, Pierre Boom: "Der fremde Vater", Aufbau-Taschenbuch-Verlag Berlin, 415 S., 9,95 Euro.