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Afrika Afrika: Heuschreckenplage aus Geldmangel

Von Simone Humml 18.10.2004, 05:54
Ein Junge läuft nahe der Stadt Aleg in Mauretanien durch einen Heuschreckenschwarm (Archivfoto vom Sommer 2004). (Foto: dpa)
Ein Junge läuft nahe der Stadt Aleg in Mauretanien durch einen Heuschreckenschwarm (Archivfoto vom Sommer 2004). (Foto: dpa) FAO

Eschborn/Rom/dpa. - Nach der großen Heuschreckenplage in Afrikavon 1986 bis 1989 dachten viele Experten, die Region sei nun dagegengewappnet. Die derzeitige Plage wäre auch gut zu verhindern gewesen,meint Werner Gassert von der Gesellschaft für TechnischeZusammenarbeit (GTZ) in Eschborn. Die Brutgebiete sind bekannt, dieUN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hat seitOktober 2003 davor gewarnt und früh erkannt sind die Schwärme gut zubekämpfen. Doch nun sind die Insekten wieder durch dasBekämpfungsnetz geschlüpft.

«Die Geberländer wachen immer erst auf, wenn die Gefahr schon daist», kritisiert Gassert, der die Bekämpfung der Heuschreckenplage inden 80er Jahren mit organisiert hatte. Im Februar 2004 hätten lautFAO 9 Millionen Dollar (7,3 Millionen Euro) genügt, um dieHeuschreckenschwärme zu vernichten. Im August seien schon 100Millionen Dollar nötig gewesen, doch bis Mitte Oktober hattenverschiedene Länder der FAO nur 20 Millionen Dollar gegeben undweitere 38 Millionen zugesagt.

«Die Länder mit Brutgebieten wie Sudan, Somalia, Eritrea,Mauretanien und andere müssten eigentlich für ihr Bemühen,aufkommende Heuschrecken rechtzeitig in Schach zu halten,Unterstützung bekommen», sagte Gasser. Alleine seien dieLänder mit Brutgebieten in Heuschreckenjahren schlichtwegüberfordert. «Zudem hatte man sich nach über 15 nahezu befallsfreienJahren zu sicher gefühlt und die aufkommende Gefahr nicht richtigeingeschätzt.»

Warnsysteme gibt es schon lange: «Früher wurden Nomaden befragtund dafür auch bezahlt», sagt Gassert. Heute könnten Satelliten undFlugzeuge eine aufkommende Gefahr rechtzeitig erfassen. «Trotzdemmuss man in die Gebiete hineingehen, um sich ein Bild über das Ausmaßzu verschaffen.» Genau das sei in den 80er Jahren wegen der Krisenin Somalia, der Westsahara und dem südlichen Tschad nicht möglichgewesen. Angesichts des massiven Auftretens der Heuschrecken indiesem Jahr sind die FAO und die Länder mit Hauptbrutgebieten(westliche Sahelzone) zudem aus Geldmangel überfordert.

Im Hüpferstadium kommen die Tiere laut Gassert nur bis zu 1000Meter pro Tag voran und können umweltschonend bekämpft werden: Manbesprüht quer zur Wanderrichtung alle 500 bis 1000 Meter einenStreifen der Vegetation mit Insektiziden, ein für die Tiere tödlichesVerfahren. Die GTZ war Gassert zufolge an der Herstellung des erstenbiologischen Mittels gegen hüpfende Heuschrecken beteiligt. «GreenMuscle» werde heute in Südafrika produziert. Es enthält Pilzsporen,die die Heuschrecken im Hüpferstadium töten. Auch mit so genanntenWachstumsregulatoren könne die Häutung unterdrückt und dieSchwarmbildung verhindert werden.

Nach der fünften Häutung haben die Insekten Flügel. «Wenn sieschwärmen, dann haben wir die Schlacht verloren», sagt Gassert. Siefliegen laut FAO zum Teil mehr als 100 Kilometer pro Tag, rund 3500Kilometer pro Monat. Dazu nutzen sie auch Winde. «Da, wo sich Windetreffen, regnet es meistens», erläutert Gassert. Daher gebe es amZiel mit hoher Wahrscheinlichkeit gute Nahrungsbedingungen.

Nun können sie kaum noch gestoppt werden. «Man muss denHeuschreckenschwärmen folgen und sie während der Rast bekämpfen.» Unddas ist schwierig. Nötig seien Fahrzeuge, Sprühgeräte, Flugzeuge,Schutzbekleidung, Benzin, Funkgeräte, Campingausrüstung undVerpflegung für die Bekämpfungsteams. «Man muss ja schnell reagierenund vor allem effizient kommunizieren können in den weit auseinanderliegenden und oft schwer zugänglichen Gebieten.»

Ende der 80er Jahre hatten sich die Heuschreckenschwärme widerErwarten plötzlich aufgelöst: «In Westafrika wurden die Tiere mit demWind auf den Atlantik hinausgetrieben und ertranken», sagt Gassert.Im Sudan seien 20 Tonnen Insektizide pro Tag gesprüht worden. «DieseSchwärme sind dann in Richtung Saudi Arabien beziehungsweiseIndischen Ozean geflogen und wurden nicht mehr gesehen.»