Afghanistan-Konferenz Afghanistan-Konferenz: Angst vor falschem Frieden
Berlin/MZ. - "Die Bundeswehr könnte für immer hier bleiben", sagte der afghanische Präsident Hamid Karsai am Samstag dem "Spiegel". Hier - das meint natürlich nicht Bonn, wo heute die Afghanistan-Konferenz stattfindet. Hier - das heißt Afghanistan. Das Paradox besteht nun darin, dass die Bonner Afghanistan-Konferenz auch deshalb ausgerichtet wird, damit die Bundeswehr eben nicht für immer am Hindukusch verweilen muss. Rund 90 Delegationen werden an dem Treffen teilnehmen. Doch wenig deutet daraufhin, dass sie jene Probleme des Landes lösen können, die seit 2001, dem Beginn des Afghanistan-Krieges, ungelöst sind.
Auf der Tagesordnung steht die Übergabe der Sicherheitsverantwortung bis 2014. Einerseits hat diese Übergabe bereits begonnen. Die schwarz-gelbe Koalition beispielsweise hat entschieden, in den nächsten zwölf Monaten 1 000 der rund 5 000 Soldaten abzuziehen. Die Heimkehr der US-Truppen ist im Gange. Andererseits gehen der Aufbau von afghanischer Armee und Polizei lange nicht so voran, wie der Westen es propagiert. Die Mitglieder der Afghanischen National-Armee gelten als wenig verlässlich. Zugleich sind sie nach Angaben von Experten unfähig, komplexere Waffensysteme zu bedienen - Waffensysteme, die Afghanistan zwar bräuchte, aber überdies gar nicht bezahlen kann. Zu guter Letzt operieren die Soldaten in einem Land, das bis heute keine funktionierende Zentralregierung kennt und nach einer funktionierenden Machtbalance mit den Provinzfürsten noch sucht.
Ein Bundeswehr-Oberst urteilte dieser Tage mit Blick auf die Behauptung der Bundesregierung, der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte mache Fortschritte: "Hier wird uns ein X für ein U vorgemacht." In Wahrheit, das zeigen interne Papiere, rechnet man früher oder später mit einem neuen Bürgerkrieg.
Zweites Thema wird das Engagement der internationalen Allianz über 2014 hinaus sein. Klar ist: Es wird danach weiter westliche Truppen im Land geben - allerdings wird es sich, zumindest formell, nicht mehr um Kampftruppen handeln. Und Afghanistan wird unverändert am Tropf des Westens hängen. 90 Prozent des Staatshaushalts speisen sich aus ausländischen Quellen. Fatalerweise haben sich die 130 000 fremden Soldaten zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt. In den Militärcamps und um sie herum sind Jobs entstanden - so für Fahrer oder Dolmetscher - die in dieser bitterarmen Gegend ersatzlos wegzufallen drohen. Die International Security Assistance Force, kurz: Isaf, ist der größte Arbeitgeber am Hindukusch. Zwar liegen unter der Erde Afghanistans Bodenschätze von schätzungsweise 2,2 Billionen Euro. Deren Ausbeutung ist für Investoren aus aller Welt indes erst dann realistisch, wenn Frieden herrscht.
Schließlich geht es in Bonn um eine politische Übereinkunft mit den Taliban. Gespräche gibt es seit langem. Regelrechte Verhandlungen haben sich daraus bisher aber nicht ergeben. Augenblicklich wird die Frage diskutiert, ob es den Taliban gestattet sein soll, eine Repräsentanz in Doha (Katar) zu errichten - womit man sie gleichsam völkerrechtlich anerkennen würde. Die Frage dahinter lautet, wie weit man den Gotteskriegern entgegen kommen mag. Reicht es, wenn sie der Gewalt und Al Qaida abschwören? Oder sollte man ihnen auch abverlangen, Freiheitsrechte anzuerkennen, wie jenes, dass Mädchen zur Schule gehen dürfen? In Berlin heißt es, derlei sei nicht verhandelbar. Wetten sollte man darauf nicht abschließen.
Wohin man schaut: Hindernisse - Hindernisse, die der Beauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Michael Steiner, nicht hat aus dem Weg räumen, sondern die er allenfalls ein bisschen hat schminken können.
Das aktuell größte Hindernis ist, dass Pakistan nicht an der Konferenz teilnehmen wird, weil die Nato unlängst pakistanische Militärposten beschoss. Dabei ist Pakistan der wichtigste Anrainerstaat mit einer 2 400 Kilometer langen, weithin ungesicherten Grenze. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sagt, was alle denken: "Afghanistan und Pakistan - das ist ein Thema. Insofern macht es kaum Sinn, eine Konferenz durchzuführen, bei der das wichtigste Land, das außerdem noch die Atomwaffe hat, nicht dabei ist."