1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Afghanistan: Afghanistan: Deutschland ist im Krieg

Afghanistan Afghanistan: Deutschland ist im Krieg

Von STEFFEN HEBESTREIT 05.04.2010, 17:49

BERLIN/MZ. - Die Aufständischen haben bei ihrer Attacke auf die Bundeswehrpatrouille nahe Kundus gleich in mehrfacher Hinsicht überrascht. Zunächst einmal ist es eine ungeheuer große Operation gewesen. Mehr als 40 Angreifer nahmen die deutschen Soldaten am Karfreitag aus dem Hinterhalt unter Beschuss, als die Deutschen ihre gepanzerten Fahrzeuge an einer Landstraße verlassen hatten, um eine Sprengfalle zu entschärfen.

Die Taliban-Kämpfer waren außerdem überaus gut bewaffnet gewesen; nicht mehr mit alten Kalaschnikows, sondern mit durchschlagsstarken Sturmgewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. Das spricht dafür, dass die radikal-islamischen Rebellen ihr Augenmerk noch stärker vom Süden auf den Norden richten.

Darüber hinaus zeigte ihr Angriff ein hohes Maß an Koordination, weil wenig später 40 weitere Kämpfer einen nahegelegenen Polizeiposten attackierten, um den Deutschen den Rückweg abzuschneiden. Dies wird als Hinweis gewertet, dass der Angriff von erfahrenen Taliban-Kommandeuren geplant wurde. Ein sichtlich schockierter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sprach danach von einem "besonders perfiden", "komplexen" und "sehr koordinierten" Angriff. Und Guttenberg, der eigens seinen Osterurlaub in Südafrika abgebrochen hatte, nahm erstmals das Wort "Krieg" in den Mund, um zu beschreiben, wem und was die deutschen Truppen um Kundus herum ausgesetzt seien.

Guttenberg fügte hinzu, auch wenn er keine "fürchterlichen Wortkonstrukte" gebrauchen wollte, dass er diesen Begriff aber "umgangssprachlich" verstanden wissen wolle. Eine juristische Wertung mochte der Verteidigungsminister trotz allem nicht vornehmen. Noch nicht. Bisher war höchstens von "kriegsähnlichen Zuständen" die Rede, juristisch wird der Einsatz als bewaffneter nicht-internationaler Konflikt eingestuft.

Neben Verteidigungsminister Guttenberg stand Generalinspekteur Volker Wieker, der bis vor kurzem selbst noch Dienst tat in Afghanistan. Wieker schilderte detailliert, wie die erste Kompanie des 313. Fallschirmjägerbataillons am Karfreitag um 13.04 Uhr im Unruhedistrikt Char Darreh unter Beschuss geraten war (siehe unten stehenden Text "Mit Panzerfäusten und Sprengfallen"). Wie dabei zunächst drei Bundeswehrsoldaten verwundet worden seien, zwei von ihnen schwer. Wie sich das Gefecht mehr als acht Stunden hinzog, obwohl die Deutschen Unterstützung aus der Luft erhalten hatten und die Einsatzreserve aus dem Feldlager ihnen sofort zu Hilfe geeilt war. Und wie ein Fahrzeug in eine Sprengfalle geriet.

Die Särge mit den sterblichen Überresten der drei getöteten deutschen Soldaten trafen am Sonntag am Flughafen Köln / Bonn ein. Guttenberg sagte, der Einsatz in Afghanistan sei und bleibe gefährlich, er sei aber alternativlos. Der Verteidigungsminister wies die Kritik des früheren Generalinspekteurs Harald Kujat zurück, die schweren Verluste der Bundeswehr seien auf das Fehlen moderner Aufklärungssysteme zurückzuführen. Die Bundeswehr habe Aufklärungsmittel vor Ort gehabt und diese auch eingesetzt.

Der Isaf-Kommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger, brachte bei der Trauerfeier in Kundus die Stimmungslage der deutschen Soldaten auf den Punkt: "Wir haben alle gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen. Die Hoffnung wurde jäh zerstört." Kommentar