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Afghanistan Afghanistan: Bundeswehr kann weiter auf USA zählen

Von MARKUS DECKER 06.10.2011, 10:04
NATO-Oberbefehlshaber Admiral James Stavridis (l.) im Gespräch mit dem afghanischen Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak (r.) und US-General John Allen im Gespräch. (Foto: REUTERS/Win McNamee/Pool)
NATO-Oberbefehlshaber Admiral James Stavridis (l.) im Gespräch mit dem afghanischen Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak (r.) und US-General John Allen im Gespräch. (Foto: REUTERS/Win McNamee/Pool) X80003

BERLIN/MZ. - Winfried Hermann - genanntWinne - war sich seinerzeit ganz sicher. "Deutschlandwird Stück für Stück in einen Krieg hineingezogen",sagte der grüne Bundestagsabgeordnete undheutige baden-württembergische Verkehrsministeram 6. November 2001. "Das mache ich nichtmit." Hermann, das muss man ihm lassen, hatvor zehn Jahren schon gewusst, was längstAllgemeingut ist: dass sich ein Krieg am Hindukuschkaum gewinnen lässt. SPD-Fraktionsvize MichaelMüller warnte, das alles sei lediglich "dererste Schritt". Auch er hatte Recht.

Unter dem Eindruck des 11. September 2001versammelte sich Deutschland hinter der Losungvon Gerhard Schröder. Der SPD-Kanzler hatte"uneingeschränkte Solidarität" mit den USAversprochen. Schon bevor der US-Militäreinsatzin Afghanistan am 7. Oktober 2001 begann,war klar, dass diese Formel ihren Preis habenwürde.

3900 Soldaten stellte Deutschland für deninternationalen Anti-Terror-Kampf ab - undin einer außerordentlichen Bundestagssitzungam 23. Dezember 2001, also einen Tag vor Heiligabend,noch einmal 1200 Soldaten für die InternationalSecurity Assistance Force, kurz Isaf. Freilichsprachen sich bereits Anfang November jenesJahres 45Prozent der Deutschen für eine Feuerpauseaus. Am Tag nach Kriegsausbruch gab es ersteDemonstrationen quer durch die Republik. Schrödererzwang die Kanzlermehrheit mit der Vertrauensfrage.

Anfangs herrschte die Einschätzung vor, dassman die Afghanen nur vom Joch der Steinzeit-Talibanbefreien müsse, um Frieden und eine gedeihlicheEntwicklung Afghanistans zu gewährleisten.Am Ausgang des deutschen Feldlagers in derHauptstadt Kabul, dem "Camp Warehouse", konnteman die Aufforderung an die Soldaten lesen:"Lächeln und winken!"

Deutschland redete sich den hierzulande verhasstenKrieg schön. Von einem "Stabilisierungseinsatz"war die Rede. Die Bundeswehr wollte Straßenbauen und Brunnen bohren. EntwicklungshilfeministerinHeidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) wollte Frauenvon der Burka befreien und Mädchen in dieSchulen schicken.

Für das Schmutzige des Krieges waren die Amerikanerzuständig - wie immer. Da wurde der Satz desPhilosophen Theodor W. Adorno ("Es gibt keinrichtiges Leben im falschen") fröhlich umgemodeltin den heimlichen Slogan: "Es gibt einen richtigenKrieg im falschen." Die Taliban waren raschweg vom Fenster. Der Chef der afghanischenÜbergangsregierung, Hamid Karsai, wurde vomGucci-Designer Tom Ford zum "schicksten Mannauf dem Planeten" gekürt. Die Bundeswehr lächelteund winkte.

Doch bald kamen die Taliban zurück. Es gabAnschläge und dann regelrechte Kämpfe. DieTruppe expandierte - von Kabul nach Kundus,Feisabad und Masar-i-Sharif. Ihr Name: "Wiederaufbauteams".Die Obergrenze von 1200 Soldaten wurde schrittweiseangehoben auf heute 5350. Nordafghanistanschien ein gemütliches Plätzchen zu sein.Aber auch der Schein trog. Die Taliban nahmendie Bundeswehr unter Feuer.

Deutsche Soldaten wurden getötet, undzwar bisher 34 bei Anschlägen und Gefechten,52 insgesamt. Und sie töteten selbst. So ließOberst Georg Klein am 4. September 2009 zweivon Taliban gekaperte Tanklastzüge bombardieren,wobei dutzende Menschen starben. Spätestensda war unbezweifelbar, dass Afghanistan Kriegbedeutet.

Nur der damalige Verteidigungsminister FranzJosef Jung (CDU) wollte von Krieg weiter nichtswissen. Erst sein Nachfolger Karl-Theodorzu Guttenberg (CSU) sagte das allen Offensichtliche.Unterdessen waren die politischen Ziele korrigiertworden. Nicht mehr Demokratie sollte es seinfür Afghanistan. Vielmehr will der Westendie Afghanen jetzt bloß noch ertüchtigen,für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. HeidemarieWieczorek-Zeul schwieg.

Der zu Beginn des Afghanistan-Krieges verantwortlicheGeneralinspekteur Harald Kujat sagt: "Wirhaben zu lange gebraucht, um zu akzeptieren,dass es sich hier um einen Einsatz handelt,bei dem der Gegner militärisch kämpft undwir militärisch kämpfen müssen. Die Argumentation,es gehe um einen Stabilisierungseinsatz, istzu lange durchgehalten worden - auch mit Blickauf die innenpolitischen Befindlichkeiten.

Das Ergebnis war, dass die Soldaten nichtdas bekommen haben, was sie brauchten, umdem Gegner Paroli zu bieten." Sein Fazit:"Der Einsatz hat den politischen Zweck, Solidaritätmit den Vereinigten Staaten zu üben, erfüllt.Wenn man das Ziel zum Maßstab nimmt, ein Landund eine Region zu stabilisieren, dann istdieser Einsatz gescheitert."

Kujat ist sich aus diesen Gründen so sicher,wie es "Winne" Hermann 2001 war: "Wenn wir2014 aus Afghanistan rausgegangen sind, dannwerden die Taliban die Macht in wenigen Monatenwieder übernehmen."