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Afghanistan Afghanistan: Bundeswehr in Kundus «wirkungslos»

15.01.2010, 17:59
Der Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beobachtet am Freitag mit Oberst Dieter-Uwe Sladeczek eine Übung im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen (Altmarkkreis Salzwedel). (FOTO: DPA)
Der Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beobachtet am Freitag mit Oberst Dieter-Uwe Sladeczek eine Übung im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen (Altmarkkreis Salzwedel). (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Kundus/dpa. - Angesichts der schlechten Sicherheitslagein der Region forderte Gouverneur Mohammad Omar in einem Gespräch mitder Deutschen Presse-Agentur dpa in Kundus mehr US-Engagement. «Wirhaben einen Feind und wissen, dass er uns töten will», sagte er mitBlick auf die Taliban. «Unsere (deutschen) Freunde beobachten das undretten uns nicht. Nun müssen wir unsere anderen (amerikanischen)Freunde bitten, uns zu retten.» Omar verteidigte zugleich den von derBundeswehr im vergangenen September angeordneten Luftangriff.

Der Sprecher der Bundeswehr in Kundus, Jürgen Mertins, sagte: «Inden vergangenen Monaten haben wir eine ganze Reihe von Operationen imRaum Kundus durchgeführt zusammen mit der afghanischen Seite. Wirmeinen, dass sich die Sicherheitslage im Raum Kundus dadurch deutlichverbessert hat.» Deutsche Soldaten beschossen und verletzten amFreitag in Kundus einen afghanischen Zivilisten. Der Mann sei mitseinem Wagen auf die Soldaten zugefahren und habe trotz Warnsignalennicht gebremst, sagte Mertins. Der Zivilist sei im Wiederaufbauteamin Kundus operiert worden. Zu dem Vorfall sei es im Distrikt CharDarah zehn Kilometer westlich des Bundeswehrlagers gekommen.

Am Bundeswehr-Außenposten im nordostafghanischen Taloqan wurde amFreitag ein deutscher Soldat verletzt. Mertins sagte, es habe sichweder um Feindbeschuss noch um einen Anschlag gehandelt. Es seiunklar, wie sich der Mann verletzt habe, der zur Behandlung insdeutsche Feldlager in Masar-i-Scharif geflogen worden sei. Er schwebenicht in Lebensgefahr. In Char Darah und an anderen Orten im GroßraumKundus kam es am Freitag zu Feuergefechten zwischen afghanischenSicherheitskräften und Aufständischen. Deutsche Soldaten waren nachAngaben der Bundeswehr nicht in die Kämpfe verwickelt.

Bei einem Raketeneinschlag in Char Darah wurden nach Angaben vonDistriktgouverneur Abdul Wahid Omarchel drei Zivilisten getötet,darunter zwei Frauen. Omarchel sagte, es sei unklar, von welcherKonfliktpartei die Rakete abgefeuert worden sei. Ein Dorfbewohnernamens Gholam Sakhi sagte der dpa, afghanische Soldaten hätten dieRakete abgeschossen. «Die Taliban haben hier die Kontrolle, warumsollten sie auf ihre eigene Gegend zielen?»

In der südafghanischen Provinz Kandahar erschossen Soldaten derInternationalen Schutztruppe ISAF nach einem Bombenanschlag zweiMänner. Die Afghanen seien nach der Detonation auf Motorrädern inhoher Geschwindigkeit auf die Soldaten zugefahren, die daraufhin dasFeuer eröffnet hätten, teilte die ISAF mit. Nach Angaben der Polizeihandelte es sich bei den Toten um Zivilisten. Bei einem weiterenAnschlag in Kandahar wurden am Freitag fünf Zivilisten getötet. DiePolizei machte die Taliban verantwortlich.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)sprach sich unterdessen gegen ein festes Datum für den Abzug derBundeswehr aus. «Ich halte es für sehr verwegen und auch nichtAusdruck größter Weisheit, von einem Enddatum zu sprechen, wo dannplötzlich alle Afghanistan verlassen und irgendeiner das Lichtausdreht», sagte Guttenberg im Gefechtsübungszentrum der Bundeswehrin Letzlingen bei Magdeburg. Stattdessen müsse eine Perspektive fürden Beginn des Truppenabzugs geschaffen werden, sagte der Ministermit Blick auf die Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London.

Gouverneur Omar sagte, aus seiner Sicht sei der umstrittene undvon der Bundeswehr angeordnete Luftangriff in Kundus auf zwei von denTaliban gekaperte Tanklastwagen im vergangenen September «richtig»gewesen. Bei den von dem Bombardement getöteten Zivilisten habe essich um Angehörige von Aufständischen gehandelt. Omar kritisiertezugleich mangelnden Wiederaufbau in Kundus. Die Deutschen solltenihre Anstrengungen auf die von ihnen verantwortete Provinzkonzentrieren, statt Hilfsgelder über die Zentralregierung in Kabulauf das ganze Land zu verteilen, forderte der Gouverneur.

Für das Bundeswehrcamp in Kundus wurde am Nachmittag vorübergehendRaketenwarnung ausgerufen, ohne dass es zu einem Angriff kam. Derletzte Raketenangriff auf das Feldlager liegt nach Angaben derBundeswehr mehr als ein Vierteljahr zurück.