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Afghanischer Ex-Minister Farhang Afghanischer Ex-Wiederaufbauminister Armin Farhang über Flüchtlinge in Europa: "Das Leben in Europa ist bitter"

Von Markus Decker 05.06.2016, 17:21
Der ehemalige afghanische Wiederaufbauminister Amin Fahang war selbst als Flüchtling in Deutschland.
Der ehemalige afghanische Wiederaufbauminister Amin Fahang war selbst als Flüchtling in Deutschland. imago stock&people

Berlin - Der ehemalige afghanische Wiederaufbauminister Amin Farhang, 1940 geboren, war einst selbst Flüchtling in Deutschland. Seit dem Sturz der Taliban lebt er wieder in Kabul – anders als seine Frau und seine beiden Töchter, die in Bochum blieben. Wir telefonierten mit ihm.

Herr Farhang, Zehntausende fliehen aus Afghanistan nach Deutschland. Warum?

Der Regierung in Afghanistan ist es nicht gelungen, besonders für die jungen Leute Perspektiven zu schaffen, damit sie im Land bleiben. Und die internationale Hilfe seit dem Sturz der Taliban 2001 wurde nicht effektiv genug eingesetzt, um den Wiederaufbau des Landes schneller und besser zu machen. Jetzt sehen wir, dass eine neue Generation herangewachsen ist. Menschen, die damals 15 waren, sind heute 30 und haben Universitäten besucht. Sie haben aber keine Aussicht auf eine Arbeit. Sie denken oft, dass man in Europa alles bekommen kann, was man will. Denn sie kennen das Leben dort nicht und werden von Schleppern und anderen verführt. Das ist nicht nur in Afghanistan so, sondern auch in anderen Ländern.

Der Flüchtlingsstrom hat also mit der Sicherheitslage gar nicht so viel zu tun?

Die Sicherheitslage in Afghanistan war immer schlecht. In manchen Gegenden ist sie noch schlechter geworden. Aber die Menschen, die deshalb fliehen, sind überwiegend Binnenflüchtlinge, die von einer Provinz zur nächsten ziehen. Diejenigen, die nach Europa kommen, sind entweder verführt worden oder denken selbst, dass sie in Europa bessere Aussichten haben. Ich höre aber, dass vielen afghanischen Flüchtlingen besonders in Deutschland und Frankreich zunehmend bewusst wird, dass dies nicht so ist. Die Tendenz zur Rückkehr nach Afghanistan wird von Tag zu Tag größer.

Nun gibt es ja vonseiten der Bundesregierung vermehrt Anstrengungen, Flüchtlinge zurückzuschicken. Ist das dann nicht gerechtfertigt?

Wer die Voraussetzung erfüllt, als Flüchtling anerkannt zu werden, der muss auf der Basis des Grundgesetzes auf jeden Fall bleiben können. Bei denen, die die Voraussetzung nicht erfüllen, kann die Bundesregierung das auch nicht ändern.

Aber das heißt, insgesamt würden sie Afghanen eher raten, im Land zu bleiben, statt nach Europa zu gehen, weil sie hier nur ungewisse Perspektiven haben.

Ich bin jetzt sehr stark in der Zivilgesellschaft tätig und komme viel mit jungen Leuten zusammen. Ich halte zum Beispiel Vorträge an Universitäten. Meine Devise lautet: Es ist viel besser, wenn sie hier bleiben und mit kleinen Schritten anfangen, als nach Europa in eine unbekannte Zukunft zu gehen.

Ich rede dann auch von meinen eigenen Erfahrungen als Flüchtling in Deutschland und wie es für mich war als jemand, der fast zehn Jahre in Deutschland studiert hatte und dann später als Flüchtling erneut nach Deutschland kam. Ich hatte am Anfang damals ebenfalls große Schwierigkeiten. Ich konnte zwar Fuß fassen. Doch viele konnten das nicht und müssen bis heute Sozialhilfe beziehen. Ich sage den jungen Menschen: Das Leben in Europa ist von außen betrachtet süß. Aber wenn man da drin ist, dann ist es ein sehr bitteres Leben.

Ihre Tochter Leila kümmert sich in Bochum um Flüchtlinge. Welche Erfahrungen macht sie?

Meine Tochter und meine Frau kümmern sich dort regelmäßig um Flüchtlinge. Das sind junge Afghanen unter 18. Sie sprechen mit ihnen und kochen für sie. Aber ob diese Flüchtlinge anerkannt werden, darüber können sie auch nicht entscheiden.