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AfD Sachsen-AnhaltAfD Sachsen-Anhalt: Machtkampf für Deutschland

Halle (Saale) - Sie sperren sich gegenseitig aus, sie schmähen einander im Internet, bilden Gruppen und schmieden Allianzen, sie misstrauen sich und sprechen übereinander wie über Leute, mit denen sie im Leben nicht freiwillig an einem Tisch sitzen wollen würden. Dennoch kommt das vor, immer noch, denn die da streiten sind alle Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD), einst gestartet als neue Kraft, die antritt, die große Altparteien-Koalition der Euro-Retter das Fürchten zu ...

Von Steffen Könau 05.06.2015, 05:39

Sie sperren sich gegenseitig aus, sie schmähen einander im Internet, bilden Gruppen und schmieden Allianzen, sie misstrauen sich und sprechen übereinander wie über Leute, mit denen sie im Leben nicht freiwillig an einem Tisch sitzen wollen würden. Dennoch kommt das vor, immer noch, denn die da streiten sind alle Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD), einst gestartet als neue Kraft, die antritt, die große Altparteien-Koalition der Euro-Retter das Fürchten zu lehren.

Doch zwei Jahre nach der Gründung des Landesverbandes Sachsen-Anhalt ist davon nicht viel übrig geblieben. Die AfD beschäftigt sich vor allem mit sich selbst. Vordergründig geht es dabei um die Parteilinie, über die Wirtschaftsliberale und Rechtskonservative im Land wie auf Bundesebene unterschiedliche Vorstellungen haben. Eigentlich aber, sagt ein Mitgründer der Partei, gelte das Gerangel den lukrativen Posten, die gut platzierten Mitgliedern winken, wenn der AfD im kommenden Jahr bei der Landtagswahl der Sprung ins Magdeburger Parlament gelingt.

Kein Platz für Recht und Gesetz

Der Kampf ist zuweilen so heftig, dass für Recht und Gesetz kaum Platz bleibt. Stattdessen werde, wie Kenner der Abläufe berichten, in Hinterzimmern an der Satzung der Partei mit dem „Mut zur Wahrheit“ (Eigenwerbung) vorbeiregiert. Freunde und Verwandte würden in die Partei aufgenommen, um die eigene Position zu stärken. Bei nächster Gelegenheit schließe die Gegenseite sie dann wieder aus, weil das die eigenen Chancen auf interne Wahlerfolge erhöht. In den letzten 18 Monaten wechselte die Besetzung des Vorstandes viermal. Es gab zwei Dutzend Rücktritte, den letzten Ende Mai. Für eine Partei, die im Land nur rund 240 Mitglieder zählt, ist das beachtlich.

Und nicht immer sei es dabei mit rechten Dingen zugegangen, klagen Mitglieder, die anonym bleiben wollen. Der erste Machtwechsel vom Gründungschef Michael Heendorf zu seinem Nachfolger Arndt Klapproth wurde von Klapproths Gefolgsleuten aus Dessau-Roßlau dominiert. Der nur drei Monate später folgende nächste Akt geriet zu einem Stück aus dem Tollhaus.

Hinter dem Rücken des neuen Landeschefs seien Konten geschlossen, Gelder verschoben und Möglichkeiten geschaffen worden, sich privat Zugang zum Parteivermögen zu verschaffen, erzählt ein damaliger Aktiver. Als Klapproth, ein 42 Jahre alter Versicherungsmakler, dem auf die Spur gekommen sei, kam es zum Aufstand. Klapproth habe Verwandte widerrechtlich zu Mitgliedern gemacht und gegen die Satzung verstoßen, heißt es. Ein Hauen und Stechen, das anhält, zu dem sich aber bis heute weder der derzeitige Landesvorstand noch die Bundesspitze der Partei äußern wollen.

Putsch oder Neuanfang?

Kaum verwunderlich, denn die folgenden Ereignisse riechen mehr nach Putsch als nach politischem Neuanfang. So wurde Klapproth bei einer „Informationsveranstaltung“ der Kreisvorsitzenden in Anwesenheit der sächsischen Landesvorsitzenden Frauke Petry zum Rücktritt gedrängt. Die „Ostbeauftragte“ des Bundesvorstandes habe der Zusammenkunft Legitimität verleihen sollen, glauben Zeugen der Ereignisse. „Es war kurz vor der Kommunalwahl 2014, ein Sturz von Klapproth hätte Vorstands-Neuwahlen bedeutet, das aber wollte niemand.“

Mit dem AfD-Landeschef treten neun der elf Vorstände zurück. Dennoch besetzen die Kreisvorsitzenden die Spitzenposten aus den eigenen Reihen. Das Landesschiedsgericht wird für befangen erklärt, das Bundesschiedsgericht winkt das Vorgehen durch: Ja, das Verfahren sei zulässig.

Kritiker haben keine Chance, denn nun liegen alle Machtmittel beim kommissarischen Vorstand, der im Wahlkampf auftritt, als sei er normal gewählt. „Dabei war nur die Frauenbeauftragte noch in ihrer Funktion tätig“, erinnert sich der Zeitzeuge.

Geht alles in der AfD, denn der kommissarische Vorstand hat die Rückendeckung der Bundesebene, die im Gegenzug vollen Zugriff auf die Konten des Landesverbandes erhält. Drei Monate amtiert das Notgremium, ehe es zu einem Landesparteitag einlädt, auf dem wieder ein regulärer Parteivorstand gewählt werden soll. Aber auch dessen Bestellung folgt nach Auffassung von Ex-Parteichef Klapproth der inneren Logik eines Putsches. „Das Einladungsschreiben zum Parteitag erging nur an ausgewählte Mitglieder“, sagt Klapproth. Beschwerden von dadurch an der Stimmabgabe Gehinderten seien von den beim Parteitag anwesenden AfD-Mitgliedern per Abstimmung zurückgewiesen worden.

Konfrontationen verschärfen sich

André Poggenburg, ein 39-jähriger Unternehmer aus Stößen bei Weißenfels, wird gewählt - und rückt die Partei umgehend nach rechts. Wie in der Bundespartei verschärft sich damit die Konfrontation innerhalb der AfD. „Frauke Petry braucht die Unterstützung des Landesverbandes im Streit mit Bernd Lucke, deshalb hat sie ihn auf ihre Linie ausgerichtet“, mutmaßen die Parteirebellen. Den ursprünglich als Symboltitel gedachten Begriff „Ostbeauftragte“ habe die Dresdnerin geschickt genutzt, um die AfD Sachsen-Anhalt gegen Bernd Lucke zu positionieren.

Wer muckt, wird nicht nur nicht mehr zu Parteitagen eingeladen, er bekommt bei Bedarf auch ein Ausschlussverfahren angehängt. Weil immer wieder Interna aus der Parteispitze per Mail an Mitglieder verschickt wurden, schaltete der Vorstand zudem die Staatsanwaltschaft ein. Die ermittelte beim E-Mail-Anbieter tatsächlich eine Telefonnummer, die Klapproth zuzuordnen sein könnte. Obwohl die Ermittlungen anschließend eingestellt wurden, weil nicht zu beweisen war, wer die E-Mail-Adresse genutzt hat, reichten der Parteispitze die Erkenntnisse für weitere Ausschlussverfahren.

Der Rest ist Chaos. Arndt Klapproth und seine Getreuen treten inzwischen als neuer AfD-Stadtverband Dessau-Roßlau in Konkurrenz zum dortigen Kreisverband. Der hat derzeit weder einen Vorsitzenden noch einen Stellvertreter und besteht nur aus sechs Mitgliedern. Nicht mal die Wahl eines neuen Kreisvorstandes gelang, obwohl die Landeschefetage extra zur Versammlung in einem Privathaus angereist war, um zu helfen, möglicherweise erscheinende Rebellen von der Stimmabgabe abzuhalten.

Die verlangen im Gegenzug den Rücktritt des derzeitigen Landesvorstandes. Der habe beim letzten Landesparteitag Delegierte zum Bundesparteitag nach einem satzungswidrigen Verfahren wählen lassen. Inzwischen wurde der Bundesparteitag wegen solcher Vorfälle abgesagt. „Schäbige Manöver“ schimpfen da die Verteidiger der derzeitigen Chefetage. Die hat für die Zeit bis zur Landtagswahl übrigens das Ziel ausgegeben, „der Öffentlichkeit große Einheit des Landesverbandes zu demonstrieren“. (mz)