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Kommentar AfD-Parteitag: Die AfD ist ein Fieberthermometer für unsere Gesellschaft

Von Thomas Kröter 01.05.2016, 17:56
Frauke Petry auf dem AfD-Parteitag in Stuttgart.
Frauke Petry auf dem AfD-Parteitag in Stuttgart. X00227

Spielt es eine Rolle, in welche Worte die AfD ihre Grundhaltung kleidet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland? Eher nicht. Denn ob sie es nun ein bisschen radikaler sagt oder   etwas vorsichtiger – unter dem Strich bleibt sie für die meisten Menschen  vor allem eins: die einzige Partei in diesem Land, die klar „Nein“ sagt zum Islam.

Auf dem Parteitag in Stuttgart hat die AfD nicht  erst um ihr Verhältnis zu einer  Religion ringen müssen, der Millionen von Menschen in Deutschland anhängen. Die Auseinandersetzung ging nur  darum,  in welche Formulierungen sie ihre vorgefasste   Ablehnung kleiden soll.   Auf sprachliche Nuancen kommt es  für die heftig debattierenden Mitglieder an, nicht für die Wirkung in der Öffentlichkeit. Ein  Markenzeichen ist geboren.

Frauke Petry  mag ihre politische Zukunft hinter sich haben. Aber  die aktuelle Vorsitzende liegt nicht falsch mit der Behauptung, die  AfD  sei ein Fieberthermometer für unsere Gesellschaft. Als in  der Griechenlandkrise die Debatte um den Euro aufpoppte, hatte sie ihr erstes Hoch. Nun ist an die Stelle des  Nein zur europäischen Gemeinschaftswährung  das Nein zu einer der großen Weltreligionen getreten. Wieder kommt die konkrete Sachfrage nur als Chiffre für ein doppeltes Grundgefühl daher: die Angst vor Überfremdung und den Eindruck, von  „denen da oben“ allein  gelassen zu werden. Dies Fieber hat  längst nicht alle befallen. Aber es ist hoch genug, um die gesamte politische Debatte zu bestimmen.

Die Volksparteien, die   gesellschaftlich inzwischen  eine ähnlichen Rolle spielen wie Petry in der AfD, reagieren mit anhaltender Hilflosigkeit. SPD-Chef Sigmar Gabriel  hofft, die  Temperatur  mit  milliardenschweren Wärmepflastern gegen gesellschaftliche Abstiegsängste zu senken. Volker Kauder, der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag, setzt auf Psychotherapie und plaudert Lieblingsargumente der AfD nach,  etwa die Forderung nach Kontrolle  von Moscheen.  Die Euro-Angst haben eine Mischung aus Einhegung der Krise und  eine Gewöhnung an sie gebändigt. Das Ansehen der Politik ist  dabei allerdings nicht  gestiegen. Noch scheint es zu früh,  ermessen zu wollen, ob  die Flüchtlingskrise ihren Zenit  überschritten hat, und ob in der Folge auch die alternativen Wellenreiter zu Tal fahren.

Aber selbst wenn „Superwaves“ von fast 25 Prozent der Wählerstimmen wie in Sachsen-Anhalt der Vergangenheit angehören sollten, könnte es sein, dass die AfD sich im Gefüge der deutschen Parteien festsetzt –  wie  die Grünen und   die Linke. Beiden gelang es, Splitter zu politischen Einheiten zu organisieren, die von der SPD abgesprengt wurden und nicht mehr zu integrieren waren. Nun wildert die AfD  in beiden großen Lagern.  Und sie mobilisiert Nichtwähler, die sich zuvor von   den Unionsparteien abgewandt hatten.  Auf diese heimatlosen Konservativen zielt ihre Wahlstrategie in erster Linie.

Die AfD ist dabei, sich rasant zu häuten  und zu professionalisieren

  Die dauerhafte Etablierung eine Rechtsaußenpartei wäre ein weiterer Schritt zur Angleichung an europäische Verhältnisse.  In den Niederlanden gibt es die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders, in Frankreich den Front National, in Österreich die FPÖ und in Deutschland eben die AfD, deren Parteitag dem früheren tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus  einen Besuch wert ist.

Im  Kalten Krieg und kurz danach hat das abschreckende Beispiel der SED die Parlamentarisierung einer demokratischen Linkspartei jenseits der SPD verhindert.  Auf der Rechten half der Schatten des Dritten Reichs, die Konservativen unter der Hegemonie der Unionsparteien zu halten. Womöglich wird es  als zentrales Versagen Angela Merkels in die Geschichte eingehen, dass sie  die  notwendige Modernisierung der CDU ohne Rücksicht auf  Verluste zur Rechten betrieben hat – so wie  Helmut Schmidt einst meinte, die ökologischen  Spinner ignorieren zu können.

Die AfD ist derweil dabei, sich rasant zu häuten  und zu professionalisieren (wozu die Grünen  länger gebraucht haben). Der Verlust der  scheinbar unentbehrlichen Gründerfigur Bernd Lucke ist fast schon vergessen. Viel deutet daraufhin, dass seine Antipodin Frauke  Petry bald folgt. Rechtsaußen wie der Thüringer Björn Höcke werden integriert wie einst die „Kommunistische Plattform“  bei der Linken, ohne dass er den Kurs der Gesamtpartei bestimmen könnte. Dort etabliert sich ein eher bräsiger Rechtskonservatismus wie ihn Thilo Sarrazin in seinen Büchern formuliert – zum Geifern fähig, meist aber  in den Grenzen des bürgerlichen Stammtischs polternd. Oft unappetitlich, aber nicht verfassungswidrig.

Jörg Meuthen der „rising Star“ der Partei, zählt drei Strömungen in der AfD: Den „modernen Konservatismus“, die „konsequente Freiheitlichkeit“ und den „gesunden Patriotismus“. Das soll moderat klingen. Aber Begriffe wie „gesund“ signalisieren, dass die völkisch-biologische Sicht eines Björn Höcke nicht aus einer  fremden Welt stammt.  Nein, man muss die AfD Partei nicht verteufeln. Beim  Wort nehmen sollte man sie schon:  Als  eine Partei, die mit ihrer Islamphobie  Fremdenfeindlichkeit schürt und die Spaltung unserer  Gesellschaft betreibt.