Kommentar AfD-Parteitag: Die AfD ist ein Fieberthermometer für unsere Gesellschaft

Spielt es eine Rolle, in welche Worte die AfD ihre Grundhaltung kleidet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland? Eher nicht. Denn ob sie es nun ein bisschen radikaler sagt oder etwas vorsichtiger – unter dem Strich bleibt sie für die meisten Menschen vor allem eins: die einzige Partei in diesem Land, die klar „Nein“ sagt zum Islam.
Auf dem Parteitag in Stuttgart hat die AfD nicht erst um ihr Verhältnis zu einer Religion ringen müssen, der Millionen von Menschen in Deutschland anhängen. Die Auseinandersetzung ging nur darum, in welche Formulierungen sie ihre vorgefasste Ablehnung kleiden soll. Auf sprachliche Nuancen kommt es für die heftig debattierenden Mitglieder an, nicht für die Wirkung in der Öffentlichkeit. Ein Markenzeichen ist geboren.
Frauke Petry mag ihre politische Zukunft hinter sich haben. Aber die aktuelle Vorsitzende liegt nicht falsch mit der Behauptung, die AfD sei ein Fieberthermometer für unsere Gesellschaft. Als in der Griechenlandkrise die Debatte um den Euro aufpoppte, hatte sie ihr erstes Hoch. Nun ist an die Stelle des Nein zur europäischen Gemeinschaftswährung das Nein zu einer der großen Weltreligionen getreten. Wieder kommt die konkrete Sachfrage nur als Chiffre für ein doppeltes Grundgefühl daher: die Angst vor Überfremdung und den Eindruck, von „denen da oben“ allein gelassen zu werden. Dies Fieber hat längst nicht alle befallen. Aber es ist hoch genug, um die gesamte politische Debatte zu bestimmen.
Die Volksparteien, die gesellschaftlich inzwischen eine ähnlichen Rolle spielen wie Petry in der AfD, reagieren mit anhaltender Hilflosigkeit. SPD-Chef Sigmar Gabriel hofft, die Temperatur mit milliardenschweren Wärmepflastern gegen gesellschaftliche Abstiegsängste zu senken. Volker Kauder, der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag, setzt auf Psychotherapie und plaudert Lieblingsargumente der AfD nach, etwa die Forderung nach Kontrolle von Moscheen. Die Euro-Angst haben eine Mischung aus Einhegung der Krise und eine Gewöhnung an sie gebändigt. Das Ansehen der Politik ist dabei allerdings nicht gestiegen. Noch scheint es zu früh, ermessen zu wollen, ob die Flüchtlingskrise ihren Zenit überschritten hat, und ob in der Folge auch die alternativen Wellenreiter zu Tal fahren.
Aber selbst wenn „Superwaves“ von fast 25 Prozent der Wählerstimmen wie in Sachsen-Anhalt der Vergangenheit angehören sollten, könnte es sein, dass die AfD sich im Gefüge der deutschen Parteien festsetzt – wie die Grünen und die Linke. Beiden gelang es, Splitter zu politischen Einheiten zu organisieren, die von der SPD abgesprengt wurden und nicht mehr zu integrieren waren. Nun wildert die AfD in beiden großen Lagern. Und sie mobilisiert Nichtwähler, die sich zuvor von den Unionsparteien abgewandt hatten. Auf diese heimatlosen Konservativen zielt ihre Wahlstrategie in erster Linie.
Die AfD ist dabei, sich rasant zu häuten und zu professionalisieren
Die dauerhafte Etablierung eine Rechtsaußenpartei wäre ein weiterer Schritt zur Angleichung an europäische Verhältnisse. In den Niederlanden gibt es die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders, in Frankreich den Front National, in Österreich die FPÖ und in Deutschland eben die AfD, deren Parteitag dem früheren tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus einen Besuch wert ist.
Im Kalten Krieg und kurz danach hat das abschreckende Beispiel der SED die Parlamentarisierung einer demokratischen Linkspartei jenseits der SPD verhindert. Auf der Rechten half der Schatten des Dritten Reichs, die Konservativen unter der Hegemonie der Unionsparteien zu halten. Womöglich wird es als zentrales Versagen Angela Merkels in die Geschichte eingehen, dass sie die notwendige Modernisierung der CDU ohne Rücksicht auf Verluste zur Rechten betrieben hat – so wie Helmut Schmidt einst meinte, die ökologischen Spinner ignorieren zu können.
Die AfD ist derweil dabei, sich rasant zu häuten und zu professionalisieren (wozu die Grünen länger gebraucht haben). Der Verlust der scheinbar unentbehrlichen Gründerfigur Bernd Lucke ist fast schon vergessen. Viel deutet daraufhin, dass seine Antipodin Frauke Petry bald folgt. Rechtsaußen wie der Thüringer Björn Höcke werden integriert wie einst die „Kommunistische Plattform“ bei der Linken, ohne dass er den Kurs der Gesamtpartei bestimmen könnte. Dort etabliert sich ein eher bräsiger Rechtskonservatismus wie ihn Thilo Sarrazin in seinen Büchern formuliert – zum Geifern fähig, meist aber in den Grenzen des bürgerlichen Stammtischs polternd. Oft unappetitlich, aber nicht verfassungswidrig.
Jörg Meuthen der „rising Star“ der Partei, zählt drei Strömungen in der AfD: Den „modernen Konservatismus“, die „konsequente Freiheitlichkeit“ und den „gesunden Patriotismus“. Das soll moderat klingen. Aber Begriffe wie „gesund“ signalisieren, dass die völkisch-biologische Sicht eines Björn Höcke nicht aus einer fremden Welt stammt. Nein, man muss die AfD Partei nicht verteufeln. Beim Wort nehmen sollte man sie schon: Als eine Partei, die mit ihrer Islamphobie Fremdenfeindlichkeit schürt und die Spaltung unserer Gesellschaft betreibt.